Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
günstig. Würde sie
dann aber nicht die Zwangslage eines Landes auch noch ausnutzen?
Außerdem hatte sie keine Lust, alleine zu fahren. Sie dachte
daran, Clara zu fragen oder Ruth, aber beide schienen so beschäftigt zu sein.
Ruth mit ihrer neuen Dozentinnenstelle und Clara mit ihrem Max, mit dem sie
jetzt fast rund um die Uhr zusammen war, so dass da wenig Platz für Emilys
Urlaubswünsche war. Und Josue? Sie glaubte nicht daran, dass ihre Beziehung –
wenn es denn schon eine war – sich so schnell entwickeln würde. Nur wenn sie
großes Glück hatte, würde das mit dem richtigen Kuss noch hinhauen vor Annas
Hochzeit.
Emily lief mit einem Stapel CDs die Treppe hinunter. Unten an
der Ausleihe traf sie Gabriel, der einen dicken Stapel Hamburg-Stadtführer
zusammenpackte.
„Hallo Emily.“ Es schien ihm peinlich, als er ihrem Blick
auf seinen Bücherstapel folgte.
„Hi Gabriel, na, bist du auch fleißig in den
Semesterferien“, fragte sie und kam sich dabei reichlich doof vor. Schnell
fügte sie hinzu: „Hast du vielleicht Lust auf einen Tee im Literaturcafé?“
Gabriel sah auf die Uhr und tat ganz beschäftigt. „Eine
halbe Stunde könnte ich erübrigen“, sagte er gnädig. Und diese Aussage von dem
Mann, der mir vor wenigen Wochen nahezu zu Füßen gelegen hatte, dachte Emily.
Nun, die Welt ist wankelmütig.
„Also gut“, sagte sie nun ihrerseits hochnäsig. Sie setzen
sich, bestellten beide einen Tee und sahen sich verlegen an. Er warf einen
Blick auf die Cellokonzerte.
„Hm, dein Musiker?“ Emily nickte.
„Immer noch an Ruth interessiert?“, fragte sie ein wenig bissig
zurück und bereute es sogleich, als sie Gabriels Gesichtsausdruck sah.
„Du bist mir doch böse, oder?“, sagte er schuldbewusst.
„Ach wo.“ Emily straffte die Schultern und warf die
beleidigte Leberwursthaltung über Bord. „Frauen sind eitel, weißt du. Auch wenn
sie nichts von einem Mann wollen, möchten sie doch nicht, dass er sich gleich
in ihre beste Freundin verliebt.“
Gabriel nickte und rührte den Kandis in der Tasse. „Weißt
du, wir telefonieren jeden Abend und ich habe das Gefühl, sie schon ganz lange
zu kennen.“
Pah, das hatte ihr Ruth vorgestern gar nicht erzählt, als
sie telefoniert hatten. Aber sie war eigenartig kurz angebunden gewesen, als
hätte sie noch etwas vor.
Gabriel sah sie fragend an: „Meinst du, das könnte passen?
Du kennst uns ja beide ein wenig.“
Es war schon putzig, dass er doch irgendwie ihren Segen
wollte. Emily sah ihn direkt an. „Gabriel, du bist ein feiner Kerl und Ruth ist
eine tolle Frau, auch wenn das nicht so viele Männer erkennen. Ich wünsche euch
alles Glück der Welt.“
„Danke“, sagte Gabriel. „Ich würde so gerne einmal irgendwo
ankommen, weiß du?“
„Ich weiß genau, was du meinst“, erwiderte Emily.
„Und wie läuft es bei dir?“, fragte er vorsichtig.
„Der gebrauchte Mann ist toll“, stichelte sie. „Und ich bin
mehr denn je verliebt“.
„Das sieht man. Du strahlst so richtig von innen raus.“ Und
nach einer Pause ergänzte er: „Ich freu mich für dich. Wirklich.“
Und sie glaubte es ihm.
Es wäre schön, wenn sie mit Gabriel befreundet sein könnte, wenn es auch
vielleicht nicht einfach wäre, mit Ruth und Gabriel befreundet zu sein, wenn er
hier lebte und Ruth dort. Aber das war jetzt wirklich schon zu weit gedacht,
überlegte sie.
Gabriel wurde unruhig und stand auf. „Emily, ich muss
weiter. Weißt du, ich fahre am Wochenende nach Hamburg und will mich noch
vorbereiten.“
„Ich bin nächstes Wochenende in Hamburg bei Annas Hochzeit“,
rief sie ihm nach.
„Ich weiß“, antwortete er über die Schulter, während er ihre
beiden Tees bezahlte. „Ob du wohl als Trauzeugin kommst?“, neckte er sie, als
sie sich kurz zum Abschied umarmten.
Mist, dachte Emily, während sie ihm nachschaute. Gabriel
weiß alles.
„Hallo Anna, hast du gerade Zeit?“.
„Klar doch. Ich liege im Sessel, streichle den Basketball,
der sich in meinen Bauch verirrt hat, und bekomme eine Fußmassage.“
Also gut, der unvermeidliche Harry war dabei. „Sei so lieb
und stell wenigstens den Lautsprecher aus, ja?“
„Ach, wo denkst du hin, Emily. Aber das ist gut, dass du
anrufst, ich wollte mich auch noch melden diese Woche. Darf ich dich denn als
Trauzeugin einplanen?“
„Jetzt schlage ich dir einen Deal vor: Wenn du diese blöde
Wette vergisst und mir endlich ohne Bedingungen meine wohlverdiente Position
gewährst, dann erzähle
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