Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
ihr zuversichtlicheres Ich. Es läuft
doch gar nicht so schlecht, immerhin saß er heute auf deinem roten Sofa. Das
hättest du dir vor einigen Wochen auch noch nicht träumen lassen, dass das
passieren könnte. Also warte es doch einfach ab, wie es sich entwickelt. Sie
schüttelte die Schwere ab, die sich über sie gelegt hatte, wie ein zu dicker
Teppich und stand auf, um den Tisch abzuräumen.
Emily schloss ihr Fahrrad auf, nachdem sie einen zusätzlichen
Tag im Altenheim gearbeitet hatte, was ihrer Kasse gut tun würde. Nach der
offiziellen Arbeitszeit bis fünfzehn Uhr war sie noch ein Stündchen geblieben
und hatte im Aufenthaltsraum aus Effi Briest vorgelesen: Herta sprach: „Ist es denn auch der Richtige?“
Effi antwortete: „Gewiß ist es der Richtige.“ Emily übersprang
einige Zeilen. „Jeder ist der
Richtige. Natürlich muß er von Adel sein und eine Stellung haben und gut
aussehen.“
Das mochten die alten Damen und Herren, anscheinend hatten
sie es alle in ihrer Jugend gelesen und so kamen viele Erinnerungen hoch. Sie
liebte es, wenn ein vorher resigniertes Gesicht wieder Leben zeigte, und lernte
immer mehr, dass jede Bewohnerin und jeder Bewohner eine Geschichte hatte, die
sie oder ihn zu dem gemacht hatte, was er heute war. Gerade die verbiesterten
oder unfreundlichen hatten meist ein richtig hartes Leben hinter sich, wenn sie
einen Blick hinter die Kulissen werfen konnte oder Bohni, der alles über jeden
wusste, ihr ab und zu etwas erzählte.
Die Arbeit fiel ihr so nicht mehr so schwer, weil sie viel
mit den Leuten redete, auch wenn sie keine Antwort gaben. Edith schüttelte
immer wieder den Kopf, weil sie meinte, das hätte doch keinen Wert, die alten
Leutchen jetzt noch aus der Reserve zu locken, aber auch sie lächelte
inzwischen mehr und die Stimmung im Team war wirklich gut, dachte Emily. Sie
hatte jetzt auch nicht mehr das Gefühl, dass sie schleunigst unter die Dusche
müsste, wenn sie aus dem Altenheim kam. Jetzt gerade hätte sie allerdings gerne
noch Zeit gehabt, sich etwas zu pimpen, wie ihre Mitstudierenden das nennen
würden, denn gleich hatte sie eine kleine Verabredung mit Josue in einem Café
am Bismarckplatz und ihr Herz machte einen kleinen Sprung vor Vorfreude.
Gestern Abend hatte er sie angerufen, nachdem sie ihm neulich in einer Mail
diskret ihre Handynummer mitgeteilt hatte. Es war schon Mittwoch und sie
dachte, er hätte sein Versprechen vergessen, sich zu melden. Dabei wolle sie
ihm so viel erzählen.
Sie fuhr gegen die Fahrtrichtung die Plöck hinunter und
schloss ihr Fahrrad bei der Post fest. Sie sah auf die Uhr, jetzt aber schnell.
Zügig ging sie auf das Café zu. Josue hatte sie gebeten, sich im ersten Stock
zu treffen, da wäre es ruhiger und nicht so heiß. Sie stieg die hölzerne
Wendeltreppe hinauf und schaute sich suchend um.
Hier war sie noch nie gewesen, aber das Café war sehr
großzügig angelegt und hatte eine hohe Decke mit geschmackvollen
Stuckelementen. Er saß in einer Nische und stand auf, als er sie sah. Strahlend
ging sie auf ihn zu. „Hallo Josue.“
„Emily, schön dich zu sehen.“ Er strahlte zurück. „Setz dich
doch“, sagte er nach dem obligatorischen Küsschen auf ihre Wange, während er
sie mit seinen schlanken Händen an den Schultern festhielt. Sie kroch ihm
gegenüber auf einen Hocker.
„Wie war euer Konzert?“, eröffnete sie das Gespräch.
„Es war ziemlich gut. Selbst unser gestrenger Dirigent war
zufrieden und das kommt nicht oft vor. Weißt du, es ist schön, wenn sich alles
ineinanderfügt und das Orchester sich wie ein einziger Körper anfühlt“, sagte er.
„So habe ich mich manchmal mit Kathleen gefühlt“.
Nein, nicht schon wieder, kreischte Emily lautlos.
„Waren deine Kinder dabei?“, fragte sie schnell weiter.
„Ja, ich konnte Frau Schmitt überreden, die beiden
mitzunehmen und sie waren superbrav. Lizzy hat mir später eine Rose
überreicht.“
Es war süß, wie er sich freuen konnte.
„Flo ist auf dem Rückweg eingeschlafen und ich habe ihn ins
Bett getragen, aber Lizzy hat noch ganz viele Fragen gestellt. Weißt du, sie
spielt selbst Violine, seit sie drei Jahre alt ist“, erzählte er stolz.
Die Bedienung trat an den Tisch und Emily bestellte einen
Chai Latte. Dann gab er sich offensichtlich einen Ruck und fragte: „Und, wie
war deine Hochzeit?“
„Meine ja nun nicht.“ Emily war froh das Thema zu wechseln,
weil ihr die kleine Lizzy und ihre Beziehung zu Josue ein bisschen
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