Ein Jahr in Andalusien
gespielt haben könnten. Und tatsächlich,
das Konzert, das wir ein paar Tage später in der Casa de Sefarad in Córdoba filmen, hätten genauso Musiker aus dem arabischen Kulturkreis geben
können. Gerade das findet Jacob spannend, denn es ist für ihn ein Beweis dafür, wie eng die beiden Religionen sich einst waren. Einer der beiden Musiker
stammt sogar aus Marokko, der andere aus Israel, wie sich später herausstellt. Begeistert bittet Jacob die beiden um ein spontanes Interview, ich muss
übersetzen. Schnell lenkt er das Gespräch auf die Epoche der religiösen Toleranz in Córdoba, und die beiden sind mit ihm ganz einer Meinung, dass diese
Zeit nur ein Vorbild sein kann.
Am nächsten Tag ziehen wir in aller Früh zur Mezquita. Wir dürfen im Inneren der wichtigsten Sehenswürdigkeit der Stadt nur drehen, wenn die Touristen
noch nicht offiziell Einlass bekommen, das heißt vor zehn Uhr. Das Morgenlicht taucht die Säulenhalle der Mezquita in ein ganz besonderes Licht. Die
ockerfarbenen und weinroten Doppelarkaden scheinen über den hunderten filigranen Säulen der Moschee zu schweben. Das schräg einfallende milchige
Sonnenlicht bringt den Tempel zum Leuchten. Der erste islamische Herrscher in Córdoba, der ursprünglich aus Damaskus stammte, kaufte den Christen der
Stadt im Jahr 756 das damalige Gotteshaus angeblich zu einem fairen Preis ab, 100 000 Golddinare soll er bezahlt haben. Die alten römischen und
gotischen Säulen der Kirche hat er in der Mezquita wiederverwertet – deshalb gleicht auch keine Säule der anderen. Als die Christen dann im
13. Jahrhundert Córdoba zurückeroberten, blieb das schöne Bauwerk den Muslimen verschlossen, sie durften hier nicht mehr ihren Gott anbeten. Übrigens
bis heute nicht. Der Bischof von Córdoba lehnt die Petitionen der Moslems, die Mezquita auch ihrem Kult zu öffnen, regelmäßig ab. „Wieso machst du
keinInterview mit dem Bischof von Córdoba?“, frage ich Jacob, als wir nach den Aufnahmen in der Moschee in einer Bar in der Judería,
dem ehemaligen Judenviertel, frühstücken. „Der fördert doch nicht die religiöse Toleranz“, sagt Jacob sofort. „Aber gerade deshalb ist er ja als
Gesprächspartner interessant. Er zeigt, wie die Situation heute in Córdoba wirklich ist und wie die Gesellschaft sich auch zurückentwickeln kann“,
entgegne ich. Doch daran scheint Jacob nicht viel gelegen. Ihm geht es vor allem darum, die positiven Beispiele der beiden mittelalterlichen Größen
aufzuzeigen und Menschen zu portraitieren, die in ihrem Namen handeln.
Später lese ich in der Tageszeitung El País ein Interview mit dem Historiker und Schriftsteller Antonio Muñoz Molina aus Granada. Er sagt, ihn mache
der Populismus derer wütend, die sagen, im maurischen Córdoba hätten die drei Weltreligionen gleichberechtigt koexistiert. Er sagt, damals wurden zwei
Weltreligionen von einer dritten dominiert. Man schrieb und sprach arabisch, die Muslime regelten das öffentliche Leben nach ihren Gebräuchen. Die
anderen waren ihnen unterworfen. Als Beispiel führt er auf, dass die beste mittelalterliche jüdische Poesie auf Arabisch entstand. Den Artikel reiße ich
aus der Zeitung und lege ihn Jacob bei unserem nächsten Halt in einer Bar in sein Notizbuch. Doch auch auf diese Einwände des Schriftstellers will sich
Jacob nicht einlassen.
Mansur Escudero hingegen ist der ideale Repräsentant für Jacobs Botschaft. Der zum Islam konvertierte Christ ist ein vehementer Verfechter der
Toleranz, in seiner Argumentation spielt Averroes eine zentrale Rolle. Den Wohnort von Escudero erkennt man schon von weitem, die Trutzburg von
Almódovar del Río ist ein Symbol des maurischen Widerstands gegen die christliche Rückeroberung. Bis kurz nach der Reconquista von Córdoba konnten die
Mauren die Angriffe der christlichen Heere abwehren. Escudero schwärmtvon der Figur Averroes und predigt religiöse Toleranz. Am Ende
des Besuchs liest Escudero vor laufender Kamera aus seiner Fatwa gegen den Terrorismus. Bei der Einstellung sitzt der grauhaarige Mann auf der Terrasse
seiner Wohnung, im Hintergrund erkennt man die Trutzburg. Jacob ist begeistert: „Das ist die Abschlussszene für den Film“, sagt er, als wir wieder auf
dem Rückweg nach Córdoba sind.
„Sieh dir das mal an: Viele Bruderschaften in Sevilla erlauben es den Frauen nicht, bei der Semana-Santa-Prozession den Thron zu
tragen.“ Nicole, die Chefin vom Dienst der deutschsprachigen Wochenzeitung, hält mir den
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