Ein Jahr in Australien
einen am südlichen zu besuchen. Vor allem wenn es gute Freunde waren. Zwei Besucher, die ich zwischendurch beherbergt hatte, waren keine guten Freunde gewesen und würden es nie werden. Das waren Freunde von Bekannten gewesen, die jemanden kannten, der jemanden kannte, der in Bondi Beach wohnte: mich. Sie hatten viel Geld für das Flugticket ausgegeben, und da Australien ja so weit weg sei, lohnte ja die Anreise nicht, wenn man nicht ein bisschen länger bliebe. Allerdings mussten sie deshalb bei der Unterkunft etwas sparen und ob ich nicht ein paar Ideen hätte. All das hatte ich per E-Mail gehört und Tipps und Adressen von Hostels und B & Bs zurückgeschickt. Lange kam weder Dank noch Antwort. Kurz vor Abflug dann doch: Sie würden einfach erst mal ein paar Tage bei mir ... Es sei ja Hochsaison und gar nicht leicht, was zu finden. Außerdem hatten sie gehört, dass ich ganz in der Nähe vom Strand wohnte, das sei ja fantastisch! Ihre Begeisterung war groß, meine hielt sich in Grenzen. Aber irgendwie war ich zu perplex gewesen, um mich zu wehren.
Na wenn schon, she’ll be right, würde schon schiefgehen. Und das ging es auch. Dass ich für die Miete ihres Ferienquartiers, einer 1,5-Zimmer-Wohnung in Strandnähe mitunter arbeiten musste, fanden die lieben Gäste etwas ungesellig. Arbeitsatmosphäre mochten sie im Urlaub nicht so sehr. Das befreundete Pärchen zweiten Grades schlief eben gern aus, da war Computerklappern lästig. Dass ich ihnen mein Bett gab und im Wohnszimmer campte, fanden sieokay. Kakerlaken hingegen nicht. Den Zusammenhang zwischen den Tierchen und ihrem nicht abgespülten Frühstücksgeschirr sahen sie nicht. „Da musst du dem Vermieter Bescheid sagen, das ist ja eine Seuche!“ Überhaupt hatte das Duo viele Tipps für mein Leben mitgebracht: Den Teppich würden sie sofort rausreißen, und eine Spülmaschine sei doch wohl das Mindeste! Eines Abends hatte ich sie – warum, war mir schon Sekunden später nicht mehr klar – zu einem Barbie mitgenommen. Vorher hatte ich ihnen das BYO-Prinzip erklärt, das ihnen allerdings überhaupt nicht gefiel. Sie fanden das „irgendwie geizig“, und überhaupt seien Partys in Deutschland ganz anders. Nach vier Tagen mit dem Traumpaar war der Kühlschrank leer und meine Geduld am Ende. Den Weg zum Supermarkt zu beschreiben hatte nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Bei dem fabelhaften Wetter, meinten sie, wäre es doch absurd, seine Zeit mit Einkaufen zu vergeuden. Sie hätten schließlich Urlaub, und heute abend gingen sie essen: Sie wollten einfach mal allein sein, und das Lokal sei teuer. Am nächsten Tag hatte ich sie rausgeworfen und mich gefragt, in welchem Anfall übertriebener Gastfreundschaft ich sie überhaupt ins Haus gelassen hatte. Den nächsten Bekannten von Bekannten würde ich sagen, ich sei nach Wagga Wagga gezogen. Ins Einmannzelt.
Diese lehrreiche Erfahrung war inzwischen gottlob verblasst. Außerdem kamen diesmal keine entfernten Bekannten x-ten Grades, sondern zwei meiner besten Freunde: Mona und Bernd. Endlich. Als sie anriefen, sie hätten ihr Ticket gekauft, machte ich einen Luftsprung. Ich konnte kaum abwarten, sie zu sehen, und freute mich wahnsinnig. Endlich würde ich mal wieder stundenlang Deutsch reden können, ohne ein Telefon in der Hand zu halten. Ich würde Scherze machen, über die eventuell jemand lachen würde. Ich würde alle möglichen Geschichten aus Hamburg hören. Sie würden Zeitungen mitbringen, die so frisch waren, dasssie noch nach Druckerschwärze rochen. Vielleicht würden sie sogar „Mövenpick Gourmet-Frühstück Himbeere“ durch die Quarantäne schmuggeln. Dann würde ich ihnen alles zeigen, die Neonlicht-Kneipen, die besten Cafés, die schönsten Ausblicke. Wir würden in Tamarama am Strand liegen, über die Harbour Bridge laufen und zig Sachen erkunden, die ich selbst noch nicht kannte. Ich würde sie ins Clubhaus schleusen und ihnen die Fotos von den lebensrettenden Bierbäuchen mit den gestreiften Badeanzügen zeigen. Wir würden endlich mal wieder ein Barbecue im Hinterhof machen und lauter andere gute Dinge. Viel Muße für die Entschlüsselung von Abkürzungen, Namen giftiger Tintenfische und medizinischer Fachbegriffe würde ich in der Zeit kaum haben. Also hämmerte ich mir Inhalte des Lebensretterbuchs auf Vorrat ins Hirn: Was tun bei Sonnenstich und Kälteschock, Erste Hilfe für ausgekugelte Schultern, Quallenbisse, Rochenwunden und Seeigelstiche. Meine Güte, in diesem Land gab es
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