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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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nie erzählt. Das stimmte einerseits nicht ganz, hatte andererseits einen wahren Kern. Kein Norddeutscher hörte einem richtig zu, wenn man erzählte, dass es in Australien gerade regnete. Das passte einfach nicht ins Bild. In der deutschen Fantasie war der australische Himmel immer blau und das Wetter immer gut. Zur Ablenkung gab ich einen, wie ich fand, kurzweiligen Bericht von der 3-Tage-Sintflut im August. Dann merkte ich, dass die Gesichter meiner Zuhörer immer länger wurden. Regen hatten sie nicht gebucht, sie wollten Sonne und 35 Grad. Nun, Letztere waren im Oktober in Sydney selten, aber ich tröstete sie, die Sonne käme schon wieder. No worries, she’ll be right. Sobald sie auf ihren geplanten Trip Richtung Regenwald und Outback aufbrächen, würden sie noch genug schwitzen. Im Norden hatte längst der tropische Sommer angefangen, und das Red Centre war ohnehin ein Ofen. Sie würden sich noch nach Sydneys frischer Luft zurücksehnen, prophezeite ich. Ganz überzeugt waren die beiden nicht, aber etwas beruhigt.
    Ich genoss nach wie vor, dass sie da waren, natürlich weil es schön war, alte Freunde um mich zu haben, und auch weil es guttat, mal wieder einen Scherz zu machen, über den jemand lachte. Ohne dass ich ihn erklären musste. Aber ganz nebenbei machte es auch Spaß, meine inzwischen fast vertraute neue Umgebung mal wieder mit neuen Augen zu sehen. Manches, was die beiden höchst kurios fanden, fiel mir schon gar nicht mehr sonderlich auf. „Diese Shorts“, platzte Mona eines Nachmittags raus. „Ich komm’ einfach nicht drüber weg, dass hier alle Männer immerzu Shorts tragen.“ Wir saßen in Darlinghurst vor Rafaels Stammcafé,dem „Coluzzi“, und guckten Straßenkino. Das war in dieser Gegend zwischen Rotlichtviertel und Galerien, trendigen Restaurants, Krankenhaus, Kunstschule und Pornokinos besonders bunt und abwechslungsreich. Und diesmal war ich froh, dass Mona ihre Beobachtung auf Deutsch mit uns teilte. Denn wir waren in der Tat umringt von Männern in kurzen Hosen. Logisch, was sonst: Rechts von uns hockten drei Taxifahrer in weißen Socken und Shorts auf den Milchkästen und rührten laut palavernd in ihren Macchiatos. Unter der Schürze des Baristas lugten kanariengelbe Billabong-Shorts vor, zwei Typen auf der Bank unterm Fenster trugen das Allzweckmodell „extraweit mit vielen Taschen“ in Khaki. Selbstverständlich zeigte auch der Postbote zwischen Boots, Socken und Uniformpulli nacktes Knie. Wirklich vorteilhaft war dieser Look nicht. Vor allem jetzt, nach den Wintermonaten, wo eine gewisse Sonnenbräune fehlte, sah nicht jedes Männerbein verführerisch aus, fanden wir Fachfrauen. Bernd war anderer Meinung. Großartig sei diese Art, sich anzuziehen, luftig, praktisch und ungemein lässig.
    Er fand viel bemerkenswerter, dass die Schulkinder in Sydney sich nicht gegen Uniformen wehrten, die in den frühen 50er Jahren entworfen worden sein mussten: gestreifte Krawatten, karierte Schottenröcke, graue Flanellhosen mit Bügelfalten, Strohhüte mit dunklen Bändern. „Wie im Film“, staunte er. Mehr als Modefragen interessierte Bernd allerdings, warum Häuser Namen hatten, Apartments jedoch Nummern, und wieso die Ampeln wie Vögel klangen. Auch das hielt ich inzwischen für ganz normal. Sobald das Licht auf Grün sprang, produzierten die Ampeln eine Art Peitschenknall und explodierten dann in keckernde Geräusche, die mich and whipbirds im Regenwald erinnerten.
    Wir waren unterwegs nach Chinatown, unter anderem, weil Mona von den Hochhäusern nicht genug bekommen konnte. Natur würden sie ja auf ihrer Rundreise später nochgenug erleben, in Sydney wollte sie Wolkenkratzer sehen: „Wie in New York“, meinte sie mit dem Kopf im Nacken und räumte ein, so jedenfalls stelle sie es sich vor, sie sei da ja noch nie gewesen. Viele gläserne Fassaden gab es in der City, da hatte sie recht. Ein paar wirklich hohe Bürotürme ragten nebeneinander in den zum Glück wieder blauen Himmel, und die langen, geraden Straßenschluchten in ihrem rechtwinkligen Rastermuster hatten auch etwas von amerikanischem „downtown“-Flair. Abgesehen davon fand ich, dass Sydney architektonisch dann doch nicht mit Manhattan mithalten konnte. Dafür hatte New York keine Strände mit Wellen, aber wer wollte schon Äpfel mit Mangos vergleichen. Sydneys Chinatown jedenfalls war sicher nur eine Sparversion von Big Apple, aber ich mochte das wuselige Viertel um den einstigen Heumarkt. Vier Prozent von Sydneys

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