Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
Vom Netzwerk:
versteigert und verkauft. Davon hatte uns ein Gang durch die Hallen der Händler mühelos überzeugt. Wir bestaunten frische Fische in den schillerndsten Schattierungen und Formen, lebende Krebse, Hummer, Garnelen jeder Größe, Muscheln und einen bestimmt drei Meter langen Thunfisch. Letzteren kannte Bernd nur aus der Dose. Er warbeeindruckt. Mir gefiel am besten, dass der Markt direkt neben einem veritablen Hafen mit Fischern in Gummistiefeln, mit Anlegern, Booten und Masten und Reusen lag. Neben dem Picknicktisch, an dem wir mit Blick auf die Bucht unsere Schätze vertilgten, stritten sich Ibisse und Pelikane mit ihren langen Schnäbeln um die Überbleibsel von „Claudio’s Seafood“. Am Kai sortierten die Fischer ihre Netze, fette weiße Möwen standen einbeinig auf den baumdicken Anlegepfählen und schnappten Leckerbissen von uns oder aus den Booten auf.
    „Ist das schön“, fand Mona, wir gaben ihr recht und aßen noch ein paar Austern. In Frankreich hatte ich diese vermeintliche Delikatesse einmal probiert und nicht ausstehen können. In Australien allerdings schmeckten sie anders. Nicht so glibberig, sondern fest und mehr wie Muscheln, mit ein paar Tropfen Zitrone waren sie himmlisch. Wahrscheinlich, feixte Bernd, würden wir später mit einem Eiweißschock kollabieren. Egal, wenigstens hatten wir dann vorher geschwelgt wie Götter in Australien.
    Wieder zu Hause wurde ich endlich eine Frage los, die mich schon seit der Ankunft meiner Freunde beschäftigte: Was machten sie eigentlich immer so lange in meinem Badezimmer, und warum gab es dabei so merkwürdige Geräusche? Bei dem Duo Infernale hatte es, wie ich mich plötzlich erinnerte, oft ähnlich geklappert. Seltsam. Mona druckste erst herum, dann platzt sie heraus: „Na ja, du weißt schon, wegen der funnel web spider .“ Wie jetzt? Ich wusste gar nichts. Was hatten Trichternetzspinnen mit meinem Badezimmer zu tun? „Im Reiseführer steht, die sind tödlich und leben im Großraum Sydney, wo sie sich zum Beispiel unter Klobrillen verstecken.“ Und da inspiziere sie eben die Örtlichkeit vorher lieber etwas genauer. Um Himmels willen. Ja, es gab zu meinem Leidwesen viele Spinnen in Australien. Angeblich waren es zweitausend verschiedene Arten, darunter dreißiggiftige und zwei, deren Biss tödlich sein konnte. Zu Letzteren gehörten die fiesen Trichternetzspinnen mit den kräftigen Beinen, die auch in Sydney vorkamen. Aber auf meinem Lokus? Das war mir neu. Als Nächstes würden sich’s vermutlich ein paar der Giftschlangen mit den roten Bäuchen in meiner Regenrinne gemütlich machen. „Zeig her, das muss ich sehen!“ Tatsächlich, da stand es, schwarz auf weiß. Ich liebte Reiseführer. Recht hatte das Buch natürlich damit, dass diese Spinnenart oft die Nähe von Wasser suchte. Den Sprung von dort in meine Toilette in Bondi konnte ich allerdings nicht ganz nachvollziehen. Aber dieses Reisehandbuch war ohnehin besonders reich an Legenden. Beim flüchtigen Durchblättern las ich, dass Bondi ein Tummelplatz für Drogensüchtige sei, es keine weiblichen Lebensretter gab, und entdeckte ein Foto des Premierministers, das aus dessen Highschool-Tagen stammte. Von vier Stadtteilen waren drei falsch geschrieben.
    Ich klappte das Buch zu, das angeblich vom Vorjahr war. Dann fiel mir etwas ein, das ich im Aussie-Slang-Buch gelesen hatte: Es gab einen alten Outback-Song vom „Redback on the Dunny“, der den Yuccapalmen-Mythos der giftigen Rotrückenspinne beschwor. Die lauerte auf dem „dunny“, dem Außenklo im Hof, darauf, zubeißen zu können. Meine Gäste schienen etwas beruhigt. Der Autor sollte bei Gelegenheit vielleicht mal wieder auf einen kleinen Realitäts-Check vorbeikommen. „Funnel webs“ in meiner Toilette! Kein Wunder, dass manche Leute glaubten, spätestens in Maroubra wimmelte es nur so vor hungrigen Krokodilen.
    Die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit prüften meine Gäste und ich wenig später noch einmal. Diesmal beim Lieblingskapitel Wetter. Vor den Fenstern pladderte seit Stunden einer der Sydney-typischen Wolkenbrüche. Meine Freunde waren schockiert. War das hier nicht Australien, das Land des ewigen Sonnenscheins? Ja, die schien schon oft,erklärte ich vorsichtig. Andererseits müssten auch hier hin und wieder Tropfen vom Himmel fallen. „All die schönen, grünen Bäume, ihr wisst schon“, mühte ich mich, um Verständnis für Natur und Landwirte zu werben. Aber von Regen, so meine Freundin leicht verstimmt, hätte ich

Weitere Kostenlose Bücher