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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Miet-Nikoläuse und japsten vor den Eingängen der Warenhäuser in den Klimaanlagen nach Luft. Es war seit einer Woche konstant 34 Grad und kühlte auch abends kaum ab. Robs südaustralische Schafwolle war längst in den Milchkästen unterm Bett verschwunden. Selbst ein Laken schien mir manchmal des Guten zu viel.
    „Was haltet ihr von knielangen, weißen Sarongs und Muskelshirts in Rot und Grün?“, meinte Jen und griff meinen lästerlichen Vorschlag, Santas Kleiderordnung zu ändern, begeistert auf. „Das sind immerhin die Farben des Festes.“ Wir saßen im Garten unter der Wäscheleine, fächelten uns Luft zu und tranken leichtes, japanisches Bier. „Oder rote Badehose und darüber nur den langen weißen Bart, reicht doch …“ Alles prustete über Jennys Mode-Alternativen für die armen Helden. Keiner konnte sich aufraffen, das Barbecue einzuheizen. Paul hatte auf dem Rückweg von der Arbeit Fish und Chips gekauft, ich steuerte Tomatensalat und Mangos bei. Mick meinte, mehr als Erdnüsse und Bier müsse man bei dem Wetter nicht zu sich nehmen, und bestückteden Esky mit mehr Eis und neuen Flaschen. Dann stellte er die Standardfrage der Saison: „Was macht ihr Weihnachten?“ Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was ich machen würde, und machte mir nicht einmal Gedanken darüber. Mir kam es vor, als würde ohnehin seit Anfang des Monats nur noch gefeiert. Heiligabend galt in Australien als nicht weiter zu beachtender Termin, der 25. 12. hingegen war Christmas Day, Familien- und Hauptfesttag. Der 26. 12. war Boxing Day und überhaupt nicht mehr heilig. Er war Startschuss für die Sydney-Hobart-Regatta, die man picknickend verfolgte. Dann würde kurz durchgeatmet, ehe wir uns um „New Year’s Eve“ – Silvester – kümmerten. Aber auch in den Wochen davor wurde Feiern so ernst genommen, als sei dieser Monat die allerletzte Gelegenheit, gemeinsam zu trinken und zu essen. Was nicht an den Ferien liegen konnte, denn die währten nicht nur für Universitäten und Schulen bis weit ins neue Jahr. Ich würde es einfach akzeptieren müssen: Der australische Dezember war eine heiße Phase, die durch viel Flüssigkeit gekühlt werden musste. Den Überblick über die Festivals in den Parks hatte ich schon verloren. An drei Stellen in der Stadt waren Open-Air-Kino-Leinwände aufgebaut, natürlich wurde vor und bei der Filmvorführung gesnackt und getrunken. Nächstes Wochenende spielte das Symphonie-Orchester zu einem riesigen Weihnachtslieder-Singen in der Innenstadt auf. Und auch zu diesem Christmas-Carol-Ereignis schaffte man Fresskörbe, Sekt und Picknickdecken in den Domain-Park.
    Im Übrigen gab sich kaum noch jemand Mühe, Anlässe für Picknicks, Trinktreffen oder Barbecues zu erfinden. Es wurde einfach gefeiert. Weil Mittwoch war, zum Beispiel. Wer weder Hinterhof noch Terrasse oder einen für Partys geeigneten Balkon hatte, sammelte 20-Cent-Stücke: Im Grünstreifen am nördlichen Ende des Strandes standen ebenso wie in Tama und Bronte neben den Picknicktischenöffentliche Gasgrills, die per Münzen erhitzt und allabendlich von Cliquen und Familien umlagert wurden. Abgesehen von den täglichen Partys besuchten die meisten meiner Bekannten nicht nur die Weihnachtsfeier ihrer Firma, sondern noch ein halbes Dutzend weitere. Christine hatte außer der Behörden-Weihnacht noch „X-mas-drinks“ mit ihren High-School-Freundinnen, mit den Nachbarn und mit dem Tennisclub, bei dem sie sich sonst höchstens zweimal im Jahr blicken ließ. Und wir hatten natürlich ein Bronzie-Weihnachtsessen geplant, neben der offiziellen Party des Clubs. Kräfte zehrend war diese Feierei, aber zum Glück dem Klima besser angepasst als die Mantel-Kluft von Santa Claus. Wir trafen uns selten in stickigen Restaurants oder Kneipen, sondern fast immer im Freien: am Strand und in Parks, oder in Lokalen, die Terrassen hatten.
    Weniger gut kam ich damit klar, dass der Dezember die Hi-Darling-how-are-you-today-Routine außer Kraft setzte. Seit deutlich vor dem ersten Advent sagte kaum mehr jemand „G’day, darling“, „hi“ oder „good morning, love“. Nein, man wünschte „Merry Christmas“. Und dies keinesfalls nur bei „X-mas-Drinks“. Zum ersten Mal hörte ich es in einem Restaurant und dachte, die Kellnerin wollte mich verulken oder mein Reaktionsvermögen testen. Aber nein, „Merry Christmas“ war die Dezember-Grußformel. Bis Weihnachten, fürchtete ich, würde sich das einigermaßen abgenutzt haben. Dazu passte,

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