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Ein Jahr in New York

Titel: Ein Jahr in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Sieger
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Einige taten dies sogar mit ihrer Klimaanlage. „Der Wahnsinn! Ich kann nicht glauben, wie viel Energie hier zum Fenster rausgeblasen wird“, regte sich Paula auf underklärte mir, dass in ihrem Haus die Heizung nachts komplett ausgeschaltet wird. Per Zeitschalter sprang sie um fünf wieder an und sorgte dafür, dass wir morgens im Warmen aufstehen konnten. Damit war ich absolut einverstanden.
    Dann wachte ich eines Nachts auf. Ich schaute auf den Wecker, es war drei Uhr morgens. Mit einer Gänsehaut lag ich im Bett und fror. Meine Nase glich einem Eiszapfen, und trotz der Dunkelheit sah ich die kleinen Wölkchen meines eigenen Atems. Der Wind zischte ungehindert durch die alten hölzernen Fensterrahmen. Ich stand auf, wickelte mir einen Wollpulli über den Pyjama und einen Schal um den Hals, setzte eine Mütze auf und zog mir die Decke über den Kopf. „Mir ist immer noch saukalt“, war der letzte Gedanke, bevor ich wieder einschlief. Um fünf riss mich dann ein zischendes Geräusch erneut aus dem Schlaf. Ich saß aufrecht im Bett. Die Heizung klang, als wollte sie mich vergasen. Es folgte lautes Poltern.
    „Dieses merkwürdige Poltern, Gluckern und Zischen hast du hier bei allen Heizungen, da wirst du dich schnell dran gewöhnen“, erklärte Valerie, als ich sie fragte, ob sie diese merkwürdigen Geräusche auch gehört hatte. „Kennst du zufällig eine gute Sauna?“, erkundigte ich mich. Wenn ich diesen Winter überleben wollte, musste ich mein Immunsystem stärken. Sie schaute mich ratlos an. „Mmmh, also in meinem Fitnessstudio gibt es so ’ne kleine Sauna. Aber da war ich noch nie drin“, sagte sie und brühte wie jeden Morgen ihren Espresso in der italienischen Blechkanne auf dem Herd auf. „Gibt es in New York etwa keine richtige Saunaanlage?“, fragte ich. „Na, da gibt es dieses russisch-türkische Bad, das ist so ne Art Sauna. Da war ich allerdings auch noch nie“, antwortete sie.
    Val ließ sich überreden gleich, am folgenden Wochenende mit mir hinzugehen.

    Wir stiegen an der 1 st Avenue aus dem L-Train und mussten nur vier Blöcke weit laufen. Es war so eisig, dass mir fast schwindlig wurde. Wir legten einen kurzen Aufwärmstopp in dem Geldautomatenraum einer Bank ein. O Gott, wie sehr ich mich auf einen verschwitzten Nachmittag freute.
    Meine Freude wurde ein wenig von dem Frittiergestank gedämpft, der uns gleich am Eingang entgegenschlug. Das Restaurant sah aus wie eine Frittenbude und überhaupt nicht so schön, gesund und sauber, wie man es aus deutschen Saunalandschaften gewohnt war. Von Wellness keine Spur. Eine Frau mit blond gefärbten Haaren und grell geschminkten Lippen begrüßte uns mit osteuropäischem Akzent, drückte uns vergilbte Badelatschen in die Hand und zeigte auf einen Stapel verlebter brauner Handtücher. Ich wünschte mir im Stillen, ich hätte doch mein eigenes Badetuch mitgebracht. „In Deutschland sitzen Frauen und Männer echt nackt nebeneinander?“, fragte Valerie ungläubig und ein wenig fasziniert, als wir in der winzigen Frauen-Umkleide in unsere Badeanzüge schlüpften. Ich hingegen konnte immer noch nicht glauben, dass wir hier in unseren Badeanzüge schwitzen mussten, und zog mir den zur Verfügung gestellten Bademantel über, der aussah wie ein Anstaltskittel.
    Wir liefen die Treppe hinunter direkt auf einen Pool zu. Auf dem Beckenrand saßen, wie die Hühner auf der Stange, etwa acht ältere Männer mit Einheits-Shorts, die zu unseren Bademänteln passten. Sie musterten uns unverblümt Stufe für Stufe, die wir ihnen näherkamen. Plötzlich war mir ganz wohl bei dem Gedanken, mich nicht entblößen zu müssen. Wir waren fast die einzigen Frauen. Direkt gegenüber vom Pool standen zwei Typen und rasierten sich. „Müssen die hier ihre Bartstoppel verteilen?“, fragte ich Valerie ein wenig angewidert. In dem Augenblick stürzteein Mann mit hochrotem Kopf aus der russischen Sauna, schweißgebadet, und sprang kopfüber in den kalten Pool. „Ich glaub’s nicht, der hat sich einfach nicht abgeduscht! Der Pool ist doch für alle da!“ Ich war fassungslos. Da kam gleich ein Zweiter hinterher und der ungeduschte Sprung ins Wasser wiederholte sich. „Also, in Deutschland ist das alles ganz anders“, bekam Valerie alle fünf Minuten von mir zu hören.
    Wir saßen im „Swedish Steam Room“, der hier angeblich die Sauna war. Der Raum war kaum größer als eine private Kellersauna und die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass man schon schwitzte, bevor sich

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