Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
er.
»Versuch’s noch mal.«
»Ich weiß es einfach nicht!«
»Verdammt! Wie viele Nutten hast du denn angerufen?«
»Ich war betrunken!«
Na prima, Neal, sagte er zu sich selbst, mach den einzigen Zeugen, der sich Mühe gibt, nur fertig. Das hilft dir weiter.
»Tut mir leid«, sagte er. »Wir sind beide müde. Versuch’s mal so. In deinem Hotelzimmer in London, wo stand da das Telefon?«
Scott zeigte auf eine Stelle auf dem Tisch. Neal stellte das Telefon dort hin und einen Stuhl davor.
»Okay«, sagte er. »Setz dich. Wo lag die Zeitung? Okay. Mit welcher Hand wählst du? Gut. Jetzt guck in die Zeitung. Denk nicht nach. Zeig einfach drauf.«
»Ungefähr hier«, sagte Scott und deutete auf das untere Drittel der ersten Seite.
»Gut. War’s der Name einer Agentur oder nur ein paar Mädchen?«
»Nur Mädchennamen.«
»Gut.«
Nicht großartig, aber immerhin gut. Ein Fortschritt. Zum Weiterarbeiten.
Scott lehnte sich zurück und seufzte. Er war erschöpft. Er sah Neal an und grinste.
»Wir müssen aufhören, uns zu treffen«, sagte er.
»Sag mal, Scott. Hast du Fotos von den Mädchen gemacht?«
Neal sah, daß der Junge sich verspannte.
»Sie meinen Pornofotos?«
»Nein, ich meine, wenn du deinen Freunden davon erzählst, und sie sagen, ›so ein Quatsch‹, und dann holst du ein paar Polaroids von den Mädchen raus.«
Scott sah ihm genau in die Augen und schwor ihm, das sei die Wahrheit: »Nein.«
»War nur so ‘ne Idee. Wann hast du Prüfung?«
»Erste Doppelstunde.«
Neal ließ sich über ein paar wichtige Themen des alten schottischen Theaterstückes aus, führte einen Diskurs darüber, wie oft Mann benutzt wurde, und verkündete ein wenig Unfug über die Verwendung von Farbe als Metaphorik. Dann schickte er Scott nach Hause und rief Joe Graham an.
Neal ging früh zur Schule, erste Doppelstunde. Die Tür zu Scotts Zimmer war ein Witz, ihr Schloß schien zu jodeln: »Komm schon rein, Partner.«
Es war das typische Internatszimmer eines Jungen, in dem dreckige Wäsche für einen irritierenden Christo-Effekt sorgte. Neal konzentrierte sich auf die rechte obere Schublade von Scotts Schreibtisch, die abgeschlossene. Sie war nicht ganz so entgegenkommend wie das Türschloß, aber nach ein wenig Überredung ließ auch sie sich öffnen.
Der übliche Müll. Ein Bündel Briefe von einem Mädchen namens Marsha, ein weiteres Bündel von Debbie. Viele Bilder: Marsha oder Debbie mit Scott am Strand; Marsha oder Debbie mit Scott beim Tanzen; Marsha oder Debbie allein auf einem Boot; Scott allein auf einem Boot, fotografiert von Marsha oder Debbie; Marsha oder Debbie romantisch unter einer Weide. Neal blätterte ein paar Ausgaben von Penthouse durch, einen Paß, eine Broschüre der Brown University, bevor er einen dünnen Umschlag mit Bildern entdeckte. Bingo. Scott und ein Freund hatten ihre Arme um zwei Mädchen geschlungen, die weder Marsha noch Debbie waren – in einem Hotelzimmer. Hallo, Ginger. Grüß dich, Yvonne.
Neal suchte sich das beste Bild heraus und steckte es in seine Jackentasche. Er schloß die Schreibtischschublade wieder ab und verließ das Zimmer. Dabei pfiff er fröhlich vor sich hin und fragte sich, wie es Scott wohl ging.
Joe Graham wartete auf der Treppe. Als er das Pfeifen hörte, schlüpfte er durch eine Seitentür hinaus.
Sie trafen sich auf dem Parkplatz vor der Post. Neal setzte sich auf den Beifahrersitz von Grahams Wagen. »Also, was gibt es so Wichtiges, daß ich nach Connecticut kommen und dir Händchen halten muß?«
»Ich habe eine Verbindung von Allie zu einem Dealer, Name unbekannt, das war ja klar, der mit ein paar Nutten befreundet ist. Ich habe zwei leichte Mädchen, Namen unbekannt, war ja klar, die man über eine von zwölf Telefonnummern erreichen kann, und die den Dealer kennen. Nichts als Scheiß.«
»Das ist doch ganz okay.«
Neal legte das Foto auf das Armaturenbrett.
»Was zu sehen, wie schön«, sagte Graham.
»Mir ist da was eingefallen.«
»Kaum zu glauben.«
»Allie Chase ist schon mal weggelaufen.«
»Und?«
»Zweimal nach New York.«
Graham tat so, als betrachtete er das Bild.
»Wenn ich sie gefunden hätte, dann hätte ich’s dir gesagt«, sagte er.
»Wenn du es nicht warst, und ich es nicht war, dann…«
»Darüber steht nichts in der Akte.«
»Zumindest nicht in der Akte, die sie uns gegeben haben.«
Graham betrachtete das Bild genauer. »Nette Mädchen.«
»Was ist los, Dad?«
»Sohn, ich weiß es nicht.«
Das hoffe
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