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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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hättest.«
    Neal kippte den gemahlenen Kaffee vorsichtig in den Filter und maß das Wasser in einer Karaffe ab.
    »Ich hasse es auf dem Land.«
    »Also, wo findet Neal Unterschlupf? Bei einem Kommilitonen, der nicht auf dem Campus lebt und gerade Urlaub macht. Ich habe mich ein wenig umgehört. Ich wußte, daß mein lieber Neal nicht nach Queens oder Brooklyn geht, weil er ja was vom Leben haben will. Ich wußte, daß er nicht auf der Upper West Side bleiben kann, weil er nicht diszipliniert genug ist, sich drinnen zu verstecken. Er würde auch nicht auf die East Side ziehen, weil da die Reichen wohnen, und die kann er nicht leiden. Und ich erinnere mich, wie oft Neal gesagt hat, wenn er jemals aus der West Side wegzöge, dann ins Village. Es war also eine einfache Kombination aus Denk- und Beinarbeit. Wie viele Kommilitonen von Neal leben im Village und machen Urlaub in Florida?«
    »Einer.« Neal war empört.
    »Ich habe nur zwei Tage gewartet, damit du ein bißchen an deinem Aufsatz arbeiten konntest und nicht ausflippst und mir den Kopf abreißt.«
    Neal sah ihn ehrlich bewundernd an. »Erstaunlich. Wirklich. Wie Sherlock Holmes.«
    »Stimmt. Außerdem hast du die Adresse auf deinen Notizblock zu Hause geschrieben.«
    »Du bist bei mir eingebrochen?«
    »Ich hab einen Schlüssel.«
    Neal war verwirrt. »Aber den Zettel hatte ich doch mit. Ich erinnere mich, wie ich ihn abgerissen und eingesteckt habe!«
    »Trinken wir den Kaffee, oder ergötzen wir uns nur an seinem feinen Duft?«
    »Er ist noch nicht fertig. Sag’s mir.«
    »Sag du’s mir.«
    Neal dachte eine Minute nach, dann wußte er es. Er war so wütend auf sich selbst, daß er hätte schreien können. »Ich hab mit einem Kugelschreiber geschrieben und auf die nächste Seite durchgedrückt.«
    »Genau. Du bist ein Idiot.«
    »Stimmt.«
    »Aber du bist ein lebender Idiot.« Graham stand auf, ging zu Neal und packte ihn mit seiner einen Hand am Kragen. »Hör gut zu, Sohn. Wenn du untertauchen mußt, ist das ernst. Du verschwindest, weil du verschwinden mußt. Sonst bist du ein toter Idiot. Dein Patzer mit dem Notizblock hat die Sache vereinfacht, aber ich hätte dich auch so gefunden. Ich hab dir ja erklärt, warum. Wenn du untertauchst, läßt du nichts zurück außer dir selbst. Du wirst jemand anders. Sonst wirst du gefunden. Und nächstes Mal, wenn dich jemand findet, dann vielleicht nicht ich. Sondern jemand, der dich umbringen will. Kapiert, Sohn?«
    »Ja, Dad.«
    Graham ließ ihn los. »Gut. Und jetzt verschwinde. Ich trink den Kaffee.«
    Neal ging die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Zwei Tage später zwängte er sich im Stadtpark von Rhode Island angewidert in seinen Schlafsack. Er haßte es.
    Aber wenigstens fand Graham ihn nicht.
     
     
28
     
    Heroinentzug bringt einen nicht um. Das Dumme ist, daß man sich wünscht, es wäre so.
    Der Körper ist ein raffiniertes Biest. Er will, was er will, und wenn er es nicht kriegt, denkt er sich seine eigenen Motivationshilfen aus: Laufnase, tränende Augen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen. Man bekommt Gänsehaut, und die Nerven liegen bloß. Man friert, es wird einem eiskalt, bis man denkt, man zerspringt in Stücke. Man atmet kurz durch die Nase ein und mit einem langen Keuchen wieder aus. Manchmal fängt der Boden an zu schwanken wie auf einem kleinen Schiff in einem großen Sturm, und dann will man einfach daliegen und sich an den Knien festklammern, weil sie so weh tun. Wenn es bloß wieder wärmer würde…
    Neal legte Allie Decken um. Sie zitterte, während sie im Schlafzimmer auf und ab ging und versuchte, den Schmerz und die Kälte zu vergessen.
    »›Sie hält das nicht lange aus, Captain‹«, sagte sie.
    »Was?«
    »Hast du nie ›Star Trek‹ gesehen? Wenn Captain Kirk Scotty Warp 8 befiehlt, und die Enterprise hin und her schaukelt und Scotty in die Gegensprechanlage brüllt: ›Sie hält das nicht lange aus, Captain‹?«
    »Und dann taumeln sie immer von einer Seite zur anderen.«
    »Genau. Aber danach ist alles wieder in Ordnung.«
    »Bis zur nächsten Woche.«
    »Gib mir was.«
    »Ich hab nichts.«
    »Bitte.«
    »Ich hab alles weggeworfen.«
    Er saß auf der Bettkante. Sie ließ sich vor ihm auf die Knie fallen.
    »Ich blas dir einen«, sagte sie.
    »Alice…«
    »Mach ich. Ich bin gut.«
    »Komm«, sagte er und zog sie zu sich hoch. »Wir gehen umher. Ich helf dir.«
    Er legte seinen Arm um ihre Schulter, während sie hin- und hergingen. »Neal, ich schaff die Nacht

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