Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
dass der Schmerz durch den Arm und in die Hand hineinschoss. Mit geweiteten Augen und offenem Mund saß Addison Forbes da und wartete. Ich werde sterben, ich werde sterben …
Zehn Minuten später war der Schmerz immer noch nicht gekommen, und er konnte auch sein Herz nicht mehr schlagen hören. Sein Puls hatte sich exakt wie nach jedem seiner Läufe verlangsamt, und er fühlte sich nicht anders als nach jedem seiner Läufe. Er wandte seinen Blick zu der fliederfarbenen Stelle mit den Armen und Beinen, dann stürmte er mit großen, rhythmischen Schritten den Hang zum Haus hinauf.
»Ihre Leiche liegt unten am Wasser«, sagte er, als er in die Küche rannte. »Ruf die Polizei an, Robin.«
Sie machte den Anruf, kam dann zu ihm und tastete mit einer Hand nach seinem Puls.
»Mir geht’s gut«, sagte er gereizt. »Mach kein Aufhebens, Frau, mir geht’s gut! Ich habe gerade eben einen mordsmäßigen Schock hinter mir, aber mein Herz hat keine Probleme gemacht.« Ein Lächeln spielte um seinen Mund. »Ich habe Hunger, ich will ein schönes, anständiges Frühstück. Spiegelei und Frühstücksspeck, Rosinentoast mit dick Butter drauf, und Sahne in meinem Kaffee. Na los, Robin, beweg dich!«
»Die haben uns reingelegt«, schimpfte Carmine, als er mit Abe und Corey am Ufer stand. »Wie konnten wir nur so blöd sein? Wir haben sämtliche Straßen überwacht, doch auf den Hafen haben wir nicht einmal einen Gedanken verschwendet. Die haben sie hier von einem Boot aus abgeladen.«
»Das ganze Ostufer war aber bis Samstagnacht zugefroren«, sagte Abe. »Das hier ist auf den letzten Drücker passiert. Kann nicht sein, dass sie ihr Opfer wirklich hier abladen wollten.«
»Ach, Quatsch«, sagte Carmine entschieden. »Das Tauwetter machte es nur leichter, das ist alles. Wenn das Wasser noch weiter gefroren geblieben wäre, dann wären sie quer über das Eis gegangen, und zwar die ganze Strecke von einer Straße, die wir nicht kontrollieren. Wie die Dinge liegen, konnten sie ein Ruderboot benutzen und es dicht genug ans Ufer bringen, um das Mädchen einfach rauszuwerfen. Die haben keine Sekunde einen Fuß an Land gesetzt.«
»Sie ist komplett durchgefroren«, sagte Patrick und trat zu ihnen. »Ein fliederfarbenes Partykleid, besetzt mit Perlen, keine Strasssteine. Ein spitzenartiger Stoff, den ich noch nie gesehen habe – keine richtige Spitze. Das Kleid passt besser als Margarettas, zumindest was die Länge betrifft. Ich habe sie noch nicht umgedreht, um nachzusehen, ob es auf dem Rücken zugeknöpft ist. Keine Spuren von Fesseln, auch kein doppelter Schnitt am Hals. Abgesehen von ein paar nassen Blättern ist sie sehr sauber.«
»Da sie keinen Fuß ans Ufer gesetzt haben, wird hier auch nichts zu finden sein. Ich überlasse sie ganz dir, Patsy. Kommt, Jungs«, sagte er zu Abe und Corey, »wir müssen jeden Hauseigentümer, dessen Grundstück ans Wasser grenzt, fragen, ob er letzte Nacht irgendetwas gesehen oder gehört hat. Aber, Corey, du wirst unser Netz weiter auswerfen. Schnapp dir die Polizeibarkasse und mach deine Runde zu den Tankern und Frachtschiffen, die im Hafen vertäut sind. Vielleicht ist jemand an Deck gegangen, um frische Luft zu schnappen, und hat dann ein Ruderboot gesehen.«
»Alles ähnelt dem Mord an Margaretta«, sagte Patrick zu Silvestri, Marciano, Carmine und Abe. Corey war mit der großen Polizeibarkasse draußen auf dem Wasser. »Faiths Schultern waren schmaler, und ihre Brüste waren klein, daher ist es gelungen, das Kleid zuzuknöpfen. Es waren keinerlei Flecken oder Spuren darauf, was bedeutet, dass sie für die Fahrt auf dem Boot in eine wasserdichte Nylonplane eingewickelt gewesen sein muss. In etwas Feineres und Glatteres als eine normale Persenning. Auf den Boden von Booten schwappen normalerweise immer ein paar Zentimeter hohes Bilgewasser, aber das Kleid war knochentrocken und ohne Flecken.«
»Wie ist sie gestorben?«, fragte Marciano.
»Zu Tode vergewaltigt, genau wie Margaretta. Sobald Faith gestorben war, wurde sie in eine Kühltruhe gelegt. Das Ding muss lang genug sein, dass Margaretta der Länge nach hineinpasste. Beide Mädchen haben sie erst angezogen, nachdem sie bereits steinhart gefroren waren. Faiths Höschen war fliederfarben statt pink. Nackte Füße, nackte Hände. Faith hat zwei deformierte Zehen von einem alten Bruch am linken Fuß. Damit dürfte sie leicht zu identifizieren sein.«
»Meinst du, dass beide Kleider von ein und derselben Person gemacht wurden?«,
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