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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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für die Pizza, Carmine.«
    Ohne einen angemessenen Kommentar zu finden, brachte er sie zwei Stockwerke hinunter zu ihrer Stahltür mit Bolzenschloss und Zahlenkombination, vergewisserte sich, dass sie auch ja gut abgeschlossen hatte, und kehrte mit einem merkwürdig niedergeschlagenen Gefühl in sein eigenes Reich zurück. Es hatte ihm auf der Zunge gelegen, zu fragen, ob er eine Chance hatte, ihre Beziehung auf eine vertraulichere Ebene zu verlagern, aber mit ihrem federnden Schritt, ihrem nüchternen Abgang waren ihm die Worte im Hals steckengeblieben.
    Die Wahrheit war, dass Carmines Avancen nicht eindeutig genug gewesen waren, dass Desdemona erahnte, dass sie überhauptexistierten. Und auch wenn ihre eigenen Gefühle durchaus ein gewisses Verlangen nach ihm verspürten, wagte sie dennoch nicht, länger in seiner Gesellschaft zu verweilen, nachdem alles gesagt worden war, was es über das Hug zu erzählen gab. Sie hatte sich vor einem langen Schweigen gefürchtet, war nicht sicher, ob sie damit klarkam.
    Außerdem war sie ausgesprochen müde. Nach heftigen Diskussionen hatte sie sich das Privileg erkämpft, ihre Wanderungen am Wochenende wieder aufnehmen zu können – unter der Maßgabe, dass sie mit einem Streifenwagen, dessen Besatzung darauf achtete, dass ihnen niemand folgte, zum Ausgangspunkt gefahren und an einem Punkt wieder abgeholt wurde. Also war sie am Samstag und Sonntag in der Nordwestecke des Bundesstaates gewandert, und diese inzwischen ungewohnte körperliche Betätigung verschaffte ihr einen ordentlichen Muskelkater. Der Appalachian Trail hatte auch im Winter seine ganz eigenen Reize, aber zeitweilig hatte Desdemona bedauert, ihre Schneeschuhe nicht eingepackt zu haben.
    Nach einem langen, heißen Bad hatte sie sich gut abgetrocknet und war in ihre gewohnte Schlafkleidung geschlüpft – einen Herren-Flanellschlafanzug und dicke, wollene Bettsocken. Für Desdemona kam eine Heizung, die warme Luft ausstieß, nicht in Frage! Darin war sie Carmine Delmonico sehr ähnlich.
    Sie war eingeschlafen, sobald sie sich hingelegt hatte, und träumte von nichts, woran sie sich später erinnern konnte, nur dass ein sonderbares Geräusch sie um vier Uhr morgens aufweckte. Ein Kratzen mit einem leicht schrillen Unterton.
    Kerzengerade im Bett sitzend, machte sich der Gedanke breit, dass es nicht das Geräusch selbst war, das sie geweckt hatte; dafür war irgendein Urgefühl von unmittelbar bevorstehendem Unheil verantwortlich. Die Schlafzimmertür stand offen, dahinter der in Dunkelheit getauchte Wohnbereich des kleinenApartments. Und pechschwarz war es auch im Schlafzimmer. Keine Kobolde, die Nachtlichter verlangten, suchten Desdemonas Schlaf heim. Und doch flackerte für einen Sekundenbruchteil kurz ein Lichtstrahl vom Korridor draußen auf, mittendrin ein Schatten, mannshoch, mit den Konturen eines Mannes. Sofort wieder verschwunden, als die Wohnungstür geschlossen wurde.
Ich bin nicht allein.
Er ist hier drinnen, er ist gekommen, um mich zu töten.
    Auf einem Stuhl neben dem Bett lag die »kleine Wäsche« des Tages, die in die Maschine zu stecken sie noch nicht geschafft hatte – Höschen, BH, Strümpfe, ein Paar wollene Strickhandschuhe. Ohne einen Laut war Desdemona aus dem Bett, hinüber zum Stuhl, die Finger nach den Handschuhen tastend. Gefunden, streifte sie einen über jede Hand und zwang sich, ohne in ein reflektierendes Licht zu treten, zur Schiebetür auf den Balkon zu schleichen, die geschlossen und mit einer Stahlstange verriegelt war, die in der Führungsschiene lag. Sie bückte sich, entfernte die Stahlstange, löste die Verriegelung und schob die Tür gerade weit genug auf, um hinaus auf den Balkon schlüpfen zu können, einen schmalen Betonsims, eingefasst von einem einen Meter zwanzig hohen eisernen Ding aus Stangen und Handlauf.
    Carmine schlief zwei Stockwerke höher auf der Nordostseite des Nutmeg Insurance Building, praktisch genau gegenüber von dem Punkt, an dem sie sich befand. Das bedeutete, wenn sie ihn erreichen wollte, dann musste sie zwei Etagen hoch mit etwa einem Dutzend Apartments zwischen ihnen auf seiner oder ihrer Etage. Kletterte sie zuerst zwei Etagen hoch oder zunächst über die Balkone auf ihrem eigenen Stockwerk, bis sie direkt unter seinem stand? Nein, zuerst nach oben, Desdemona! Verschwinde, so schnell du nur kannst, von dieser Etage. Die Frage war nur, wie!
    Jedes Stockwerk bedeutete einen Höhenunterschied von rund drei Metern, eine Zimmerhöhe von zwei Meter

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