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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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die Floristen sie zu dieser Jahreszeit? Auf dem Kaminsims stand ein silbern gerahmtes Foto von Mercedes vor einer brennenden Kerze in einer roten Glasschale.
    Das Erste, was Carmine machte, wenn er ein Trauerhaus betrat, war, sich vorzustellen, wie der Verstorbene ausgesehen hatte, bevor das Schicksal zuschlug. Hier nahezu unmöglich, aber der Knochenbau lag in der Familie. Umwerfend schön, jeder von ihnen, und alle mit dieser milchkaffeebraunen Haut. Ein bisschen Neger, ein bisschen karibischer Indio, viel Spanisches. Die Eltern waren wahrscheinlich Ende dreißig, sahen aber mindestens zehn Jahre älter aus und saßen wie zwei zerlumpte Puppen in ihrer eigenen, geisterhaften Welt. Keiner von ihnen schien ihn zu bemerken.
    »Du bist Luis, oder?«, fragte er den Jungen, dessen Augen vom Weinen rot und geschwollen waren.
    »Ja.«
    »Wie alt bist du?«
    »Vierzehn.«
    »Und deine Schwestern? Wie alt sind die?«
    »Maria ist zwölf, Dolores zehn, und Teresa ist acht.«
    »Und dein kleiner Bruder?«
    »Francisco ist drei.«
    Der Junge fing wieder an zu weinen, trostlose, hoffnungslose Tränen, die erst dann fallen, wenn schon viele vor ihnen vergossen wurden. Seine Schwestern hoben ihre Köpfe für einen Moment von ihren durchweichten Taschentüchern; die kleinen knochigen Knie waren zusammengepresst, unter den Rändern identischer, karierter Faltenröcke, wie elfenbeinfarbene kleine Schädel. Von Schluckauf erschüttert saßen sie da, vor Schmerz gekrümmt und von dem schrecklichen Schock, der sich langsam in Erschöpfung verwandelte, nach den Tagen der Sorgen und dann der Nachricht, dass Mercedes tot sei, zerschnitten in Stücke. Natürlich hatte niemand beabsichtigt, dass sie das herausfinden sollten, aber sie hatten es.
    »Luis, könntest du deine Schwestern in die Küche bringen und dann für einen Augenblick zurückkommen?«
    Der Vater sah Carmine endlich an, der Blick verwirrt und verwundert.
    »Mr Alvarez, möchten Sie das hier lieber um ein paar Tage verschieben?«, fragte Carmine leise.
    »Nein«, flüsterte der Vater mit trockenen Augen. »Wir werden damit fertig.«
    Ja, aber ich auch?
    Luis kam zurück, ohne Tränen.
    »Noch einmal dieselbe alte Frage, Luis. Ich weiß, du bist sie schon millionenmal gefragt worden, aber Erinnerungen können vergraben sein und dann plötzlich grundlos zurückkehren. Wenn ich richtig verstanden habe, seid du und Mercedes auf verschiedene Schulen gegangen, aber mir wurde erzählt, ihr wart dicke Freunde. Mädchen, die so hübsch sind wie Mercedes, erhalten viel Aufmerksamkeit, das ist normal. Hat siejemals über die Aufmerksamkeit geklagt? Darüber, verfolgt zu werden? Darüber, von einem Auto aus oder von jemandem auf der anderen Straßenseite beobachtet zu werden?«
    »Nein, ehrlich nicht, Lieutenant. Jungs haben ihr nachgepfiffen, aber sie hat das ignoriert.«
    »Was ist mit damals, als sie als freiwillige Helferin im Krankenhaus gearbeitet hat?«
    »Sie hat mir nie etwas anderes erzählt als über die Patientinnen und wie nett die Krankenschwestern seien. Sie haben sie nur ins Entbindungsheim gelassen, und sie hat es geliebt.«
    Er fing wieder an zu weinen: Zeit aufzuhören. Carmine lächelte und nickte Richtung Küche.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte er sich bei Mr Alvarez, nachdem der Junge gegangen war.
    »Es ist uns klar, dass Sie Fragen stellen müssen, Lieutenant.«
    »War Mercedes ein zutrauliches Kind, Sir? Hat sie mit ihrer Mutter oder Ihnen über viele Dinge geredet?«
    »Sie hatte immer großes Vertrauen zu uns. Ihr Leben hat ihr Freude bereitet, und sie hat es geliebt, darüber zu sprechen.« Ein Krampf überkam ihn, er musste sich an seiner Lehne festkrallen, um ihn zu unterdrücken. Seine Augen waren starr vor Schmerz, während die der Mutter direkt in die Hölle zu blicken schienen. »Lieutenant, uns wurde erzählt, was mit ihr geschehen ist, aber es ist fast unmöglich, es zu glauben. Uns wurde gesagt, dass Mercedes Ihr Fall sei und dass Sie mehr darüber wüssten, was mit ihr passiert sei, als die Polizei von Norwalk.« Seine Stimme wurde drängender. »Bitte, ich flehe Sie an, sagen Sie es mir! Hat mein kleines Mädchen gelitten?«
    Carmine schluckte. Die Augen spießten ihn förmlich auf. »Nur Gott selbst kennt die Antwort, aber ich glaube nicht, dass Gott so grausam ist. Ein solcher Mord wird nicht verübt, um das Opfer leiden zu sehen. Der Mann kann Mercedes Drogengegeben haben, damit sie von allem nichts mitbekommt. Einer Sache können Sie sich

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