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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Chef übergeschnappt? »Was meinst du damit?«, fragte er zögernd.
    »Genau das, was ich sage. Sie könnte Katerinas Zwillingsschwester sein. Mich hat fast der Schlag getroffen, als sie gestern Abend meine Loge betrat. Ich dachte, ich sehe einen Geist, bis sie den Mund aufmachte und Englisch sprach. Du siehst also, Darko, dass ich nicht die Verantwortung dafür übernehmen kann, ob wir dieser Frau trauen oder nicht. Denn jedes Mal, wenn ich sie ansehe, bleibt mir das Herz stehen.«
    »Scheiße.« Krasic goss den Rest seines Whiskys in den Kaffee und trank die halbe Tasse mit einem Schluck aus. »Du bist sicher, dass du nicht irgendeine Wahnvorstellung hast?«
    »Nein. Deshalb habe ich das Treffen heute vereinbart, um mir zu bestätigen, dass ich nicht träume. Aber sie bringt ja nicht nur mich aus der Fassung. Ich habe gestern Abend vor der Staatsoper und heute beim Lunch gesehen, wie die Leute sich nach ihr umdrehten. Als könnten sie ihren Augen nicht trauen. Es ist einfach total irrsinnig, Darko.«
    »Du willst also, dass ich sie unter die Lupe nehme?«
    »Bis zum Gehtnichtmehr.« Tadeusz holte einen Umschlag aus seiner Brusttasche. »Hier drin ist ein italienischer Pass. Den hat sie mir gegeben, um zu beweisen, dass sie dem Geschäft gewachsen ist. Außerdem ihre Adresse in Berlin. Ich habe sie gestern Abend im Wagen nach Hause bringen lassen und mir alles gemerkt, was sie über sich erzählte. Ich möchte, dass du alles, was möglich ist, über sie herausfindest. Entweder ist dies der abstruseste aller Zufälle, oder es läuft hier etwas sehr Gefährliches ab. Sieh zu, dass du herausbekommst, worum es geht, Darko.«
    »Schon dabei, Boss.« Krasic trank aus, rutschte ans Ende der Bank und nahm beim Gehen seinen Mantel. »Wenn sie falsch spielt, nageln wir sie fest. Da mach dir keine Sorgen.«
    Tadeusz nickte zufrieden. Er sah Krasic nach, der sich wie ein zu allem entschlossener Bulle durch die Menge drängte. Darko würde die Sache aufklären. Entweder hatte Caroline Jackson etwas Zwielichtiges vor, oder sie war möglicherweise wirklich seine Rettung.
     
    Der Rhein hatte Hochwasser. Der Kapitän der
Wilhelmina Rosen
stand auf den wuchtigen Stufen des Deutschen Ecks, wo Rhein und Mosel zusammenfließen, und starrte in die rauschende, braune Flut, die jetzt für den Schiffsverkehr gesperrt war. Ehrlich gesagt hatte er das erwartet. Heutzutage kam das im Frühjahr regelmäßig vor, anders als damals in seiner Kindheit. Der Treibhauseffekt, vermutlich. Aber es kam ihm wie ein weiteres Teilstück der großen Verschwörung vor, die seine Pläne durchkreuzte.
    Er hatte vorgehabt, am Nachmittag in Köln zu sein und in dem Hafenbecken direkt neben der Hauptfahrrinne anzulegen. Stattdessen saßen sie jetzt hier in Koblenz fest. Zum ersten Mal im Leben fühlte er sich durch das Zusammensein mit zwei anderen Männern auf so engem Raum bedrängt. Er hatte Manfred und Gunther vorgeschlagen, dass sie eigentlich für ein paar Tage nach Hause fahren könnten, da es keine Anzeichen dafür gab, dass der Wasserstand fallen würde, und es an Bord nichts für sie zu tun gab. Er hatte ihnen sogar angeboten, sie für die Tage, an denen sie weg waren, zu bezahlen. Aber beide hatten keine Lust, auf seinen Vorschlag einzugehen.
    Gunther wies auf die verdammt lange Strecke zwischen Koblenz und Hamburg hin, von wo sie, kaum angekommen, wieder los müssten, und überhaupt wäre das alles nicht so schwierig, wenn sie auf der Elbe, also praktisch vor der eigenen Haustür, arbeiten würden.
    Manfred wollte nicht fort, weil er zu viel Spaß hatte. Er war hier, wo so viele Schiffe angelegt hatten, in seinem Element. Er konnte den ganzen Tag und die halbe Nacht mit anderen Schiffern beim Geschichtenerzählen in Kneipen herumhocken. Weit und breit war er dafür bekannt, wie viel er vertrug, und bekam nicht oft die Chance, dem Laster so zu frönen wie jetzt, weil seine Frau fand, wenn ihr Mann im Heimathafen war, sollte er zu Hause sein.
    Jetzt saß er also mit den beiden hier fest, und sie trieben ihn mit ihrem Geschwätz zum Wahnsinn, wenn sie verglichen, wo sie gewesen waren, was sie gesehen hatten, welchen Tratsch sie aufgeschnappt hatten und wo sie demnächst hingehen würden. Er wollte nur seine Ruhe haben und wünschte sich, nach der Sache in Bremen wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Er wollte allein sein, damit ihn niemand fragen konnte, warum er jeden Tag alle Zeitungen kaufte und die Seiten auf der Suche nach einer bestimmten Geschichte

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