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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Bereitschaft
     einhergeht, sich zugunsten des Mannes zurückzunehmen. Ohne Brechungen geht es aber auch bei diesem Thema nicht ab. Obwohl
     der Autor die weibliche Naivität (in Gotho) symbolisch erhöht, wird die Frau andererseits doch zum bildungsfähigen Subjekt
     qualifiziert. Wie Valeria vermag sie dem Mann geistig gleichrangig zu sein. Und schließlich enthält der Text in Totilas Widerspruch
     gegen die lockende Aggressivität der Verführungskünste Furius Ahallas, für den (nicht ohne psychologische Rafinesse) »süßes
     Grauen (. . .) die Mutter der Liebe« ist (VI.2   /   30), eine Invektive gegen die »niedere Art«, »vom Weib zu denken«, das doch weder eine »Ware« noch Besitz des Mannes sei:
     »Hat ein Weib keine Seele, nicht Willen und Wahl?« (VI.2   /   27) Derlei Respektlosigkeit (diefreilich kaum eine ernsthafte Kritik an der Geltung häuslicher Vormundschaft artikuliert), wird ebenso kritisiert wie die
     gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frau.
    IV.
    Auch wenn sich der ›Kampf um Rom‹ gewiß nicht einfach auf »das hohe Lied vom Germanentum« 171 reduzieren läßt, mag der gewichtigste »Grund der Erfolge« sämtlicher »Dichtungen« Dahns, wie er selbst vermutete, tatsächlich
     darin bestanden haben, daß sie als »Ausdruck des (. . .) im Jahre 1870 mit Sieg gekrönten deutschen Nationalgefühls« verstanden
     wurden. 172 Mit dem kämpfenden Volk einer fernen Vergangenheit hielt der Autor den Zeitgenossen einen Spiegel zur Pflege vaterländischer
     Gesinnung vor: »Germanen-, das heißt Heldentum«. Diesbezüglich sah Dahn, der mit seinen Arbeiten ausnahmslos »einen Beitrag
     leisten« wollte »zur Wiederbelebung urgermanischen Fühlens, Denkens, ächt deutscher Weltauffassung«, 173 eine Kontinuität über die Zeiten hinweg am Werk. Zwar hätten »wir«, so führt er mit identifikatorischem Gestus aus, »kein
     Glück« gehabt »bei der damaligen ›Liquidation‹ des in Concours gerathenen Römerreichs. Das heißt wir hatten keine Einheit,
     keinen Alle fortreißenden Führer«, da es sich auch bei Theoderich letztlich um keinen Realpolitiker, sondern um einen »idealistische(n)
     Schwärmer für das Unmögliche« gehandelt habe. 174 Dafür aber sei nun durch »Odhin’s Staatskunst und Donar’s Hammer« das neue Reich errichtet. Bismarck, den er mit »Jung Siegfried«
     vergleicht 175 – was im Roman Totilas Part ist (I/7; VI.1   /   4.6)   –, gleichermaßen Wilhelm I. und Moltke glorifiziert er zu mythologischen Archetypen siegreicher deutscher Tugenden. 176 Ein solcher ›Germanismus‹ zählte wesentlich zu den Stiftungslegenden der Gründerzeit. 177
    Der ›Kampf um Rom‹ bediente die Süchtigkeit des kollektiven Gedächtnisses einer ›verspäteten Nation‹ nach solchen Konstruktionen,
     fütterte und stimulierte es. Vor pittoreskem historischem Hintergrund entwirft er eine ›große Erzählung‹,die sich um die Wirklichkeit der Geschichte nur bedingt kümmert. Durch die Art ihrer Anverwandlung wird so etwas wie eine
     ›phantastische Ätiologie‹ geschaffen: eine imaginäre Begründung und Kausalität. Als sein Urereignis setzt der Dahnsche Nationalmythos
     mit Kalkül eine Niederlage. Im Untergang aber macht er seine gotischen Helden zu den eigentlichen Siegern. Ihr Sieg besteht
     in der fortwährenden Erinnerung an den bezeugten Opfermut, die den Zusammenhalt der Volksgemeinschaft befördert. Daß sich
     über die Vermittlung seiner tragischen Weltanschauung zugleich das untergründige Katastrophengefühl einer zukunftsgewissen
     Zeit geltend macht, ein Fatalismus, der dem glanzvollen nationalen Aufbruch widerspricht, ist freilich nicht von der Hand
     zu weisen. Wenn man seine Botschaften im einzelnen untersucht, wird ohnehin rasch offenkundig, daß der Roman eine Vielzahl
     von Signalen aussendet, die eine komplexe Gemengelage innerhalb des gründerzeitlichen Bewußtseins reflektieren, dessen Inhalte
     teilweise in spannungsvollem, ja bis zur Widersprüchlichkeit reichendem Kontrast zueinander stehen. Gerade das aber macht
     ihn tatsächlich zur »zwingendsten literarischen Ausprägung« seiner Epoche. 178
    Und heute? Aus der Distanz zur geistigen Welt des 19.   Jahrhunderts vermag der ›Kampf um Rom‹ (jenseits des Interesses historischer Fachgelehrsamkeit an seinen Themen, Intentionen
     und Darstellungsweisen), aller pathetischen Bedeutungsschwere entledigt, zum Vehikel einer puren Erlebniswelt des Lesers zu
     mutieren. Mit seinem Nebeneinander von

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