Ein Kerl macht noch keinen Sommer
ansah und dazu ein trostloses, abscheuliches Fertiggericht für eine Person aß? Auf einmal fühlte sich Anna innerlich leer und den Tränen nahe. Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Rotwein.
»Sie wissen, dass die Sendung am Donnerstagabend um neun ausgestrahlt wird, Anna? Die Wäsche wird am nächsten Tag in den Geschäften sein – das heißt, das Timing ist perfekt.«
»Ja, ich weiß.« Nur noch fünf Tage, bis sie erfahren würde, ob sie sich völlig zum Affen gemacht und Vladimir Darqs Karriere im Alleingang ruiniert hatte. O Gott, wie sollte sie sich am Tag danach noch zur Arbeit trauen? Und warum wurde die Sendung um neun Uhr abends ausgestrahlt? Nach der jugendfreien Sendezeit? Sie wagte nicht, danach zu fragen. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Antwort wissen wollte. Ihr blieb keine andere Wahl, als abzuwarten, sich die Sendung anzusehen und danach vor Scham zu sterben.
Anna stellte ihren Kelch ab. Sie wollte Vladimirs Gastfreundschaft nicht überstrapazieren.
»Na ja, vielen Dank für dieses wundervolle Kleid.«
»Mein Wagen wird Sie am nächsten Samstagabend um Viertel vor neun abholen.« Er küsste ihr die Hand. Sie hielt sie auf der ganzen Fahrt nachhause umklammert. Nicht einmal der Anblick des Tangas, den Tony ihr geschenkt hatte, konnte sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Dort würde sie noch früh genug wieder landen. Aber bitte, Gott, lass mich nur noch eine Woche auf dieser Wolke sieben schweben!
Neunundsechzigstes Kapitel
D awn war froh, dass niemand sie begleiten wollte, als sie am Sonntagnachmittag zum Altersheim fuhr, um Tante Charlotte zu besuchen. Ihr Versprechen, der alten Dame das Foto von ihrem Brautkleid zu zeigen, war die ideale Ausrede, um sich vor dem großen Lammbraten-Essen mit ihren künftigen Verwandten zu drücken – und vor den beängstigenden Anspielungen darauf, was sie an ihrem gefürchteten Junggesellinnenabschied erwartete. Denise war am Tag zuvor mit ein paar riesigen aufblasbaren Pimmeln zu ihr gekommen, und Demi wollte ein paar T-Shirts bedrucken lassen.
»Ich bekomme sie billig von Empty Head«, erklärte sie stolz. »Sie kosten dich nur vierzig Pfund, Dawn.« Das »Dich« entging Dawn nicht.
Dawn wollte nicht vierzig Pfund für T-Shirts für einen Haufen fremder Leute ausgeben, die garantiert mit irgendwelchen unfeinen und peinlichen Sprüchen bedruckt sein würden. Aber dann stellte sie sich Demis Miene vor, wenn sie ihr das laut sagte – eine Miene, die sich in null Komma nichts auch auf Denise’ und Muriels Gesichtern spiegeln würde. Sie öffnete ihr Portmonee und reichte ihr zwei Zwanzigpfundscheine.
»Ganz schön frech von dir, sie um das Geld dafür anzuhauen, wo du sie doch bestellt hast«, sagte Denise.
»Na ja, sie bezahlt’s doch eh von dem Geld, das Tante Charlotte ihr gegeben hat, oder?«, gab Demi zurück, als sei Dawn gar nicht anwesend.
»Ja, ich nehm’s an.« Denise sah Dawn mit hoffnungsvoll hochgezogenen Augenbrauen an.
»Äh, bin ich dir irgendwas schuldig, Denise? Für die aufblasbaren, äh … Dinger.« Dawn hasste sich selbst dafür, hasste ihre Schwäche, hasste die Tatsache, dass sie sich von den Crookes offenbar umso weiter entfernte, je näher sie ihnen stand.
»Vierzig Pfund werden alles abdecken«, sagte Denise.
»Kann ich dir zehn schuldig bleiben? Ich habe nur noch dreißig in meinem Portmonee.«
»Na klar.« Denise strahlte wie jemand, der eben ein Bombengeschäft gemacht hat.
Im Altersheim trat Dawn an den Empfang und fragte die Frau hinter dem Tresen, ob sie Charlotte Sadler besuchen könne. Die Frau lächelte fast mitleidig, als Dawn erklärte, wer sie war und warum sie hier war.
»Sie ist im Augenblick sehr schwach und verwirrt«, sagte sie. »Es wird ein sehr einseitiges Gespräch werden, fürchte ich.«
»Aber als ich sie das letzte Mal besucht habe, war sie doch noch so gesund und munter«, sagte Dawn.
»So kommt es eben manchmal, Liebes. Es kann so schnell gehen.« Sie kam hinter dem Tresen hervor und bat Dawn, ihr zu Charlottes Zimmer zu folgen.
»Ich werde nicht lange bleiben«, versprach Dawn, während sie ihr den mit Teppich ausgelegten Korridor hinunterfolgte, »aber ich habe ihr versprochen, sie zu besuchen.«
Die alte Dame war völlig verändert seit Dawns letztem Besuch. Sie saß halb aufrecht im Bett, von vielen dicken Kissen gestützt, ihr langes Haar fiel ihr jetzt in gespenstischen weißen Strähnen um die Schultern, und sie hatte sichtlich abgenommen. Ihre Knochen sahen so
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