Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
sagte vergnügt: «Und weißt du was, Vi? Dann kommst du endlich auch zu deinem Pelz.»
«Wieso?»
«Na ja. Von Rußland kommen sie doch. Und gar nicht teuer. Sieh mal, hier auf den Bildern. Alle tragen Pelzkappen. Da, sogar die armen Leute. In Rußland kann sich jeder einen Pelz leisten. Du wirst sehen, bald hast du deinen Pelz.»
Mrs. Butterfield erwachte zu neuem Leben und richtete sich auf. «Glaubst du wirklich?» fragte sie.
«Morgen früh gehen wir und holen unsere Tickets», sagte Mrs. Harris.
5
Mrs. Harris war bereits einmal bei Intourist gewesen, als sie die Prospekte geholt hatte. Es war dort nicht anders zugegangen als in anderen Reisebüros; vielmehr hatte das gleiche, für jedes gutgehende Reisebüro offenbar typische Durcheinander geherrscht, und sie hatte den Eindruck gewonnen, daß alle Angestellten ein gutes, verständliches Englisch sprachen. So war sie, als sie sich am nächsten Vormittag zusammen mit Mrs. Butterfield auf den Weg machte, ganz zuversichtlich, daß die absolut normale Reisebüro-Atmosphäre bei Intourist Violets Ängste weitgehend zerstreuen würde.
Der erste Schritt war von Erfolg begleitet. Daß das Reisebüro dicht neben so beruhigenden britischen Institutionen lag — auf der einen Seite ein Tabakladen und ein Süßwarengeschäft, auf der anderen die Regent-Street-Schreibmaschinen-Gesellschaft und ein großes Warenhaus und gegenüber die National Westminster Bank — , übte auf Mrs. Butterfield eine beruhigende Wirkung aus.
Auch die Atmosphäre im Innern von Intourist und die die Wände zierenden riesigen Farbfotos taten das ihrige, Mrs. Butterfields Ängste zu beschwichtigen: Moskau im Frühjahr, Moskau im Sommer, Moskau unter einer winterlichen Schneedecke sowie andere idyllische Szenen aus dem russischen Landleben. Als sie an einen Schalter herantraten und das dahinterstehende junge Mädchen sie fragte: «Womit kann ich Ihnen dienen? Wohin wollen Sie reisen? Haben Sie unsere Angebote schon gesehen?» flüsterte Mrs. Butterfield Mrs. Harris zu: «Aber, Ada, die sprechen ja genau wie wir.» — «Schsch», machte Mrs. Harris. «Sei doch nicht so dumm, Vi, das Mädchen ist Engländerin, genau wie du und ich.»
Sehr geschickt von diesen Russen, in ihrem Reisebüro vorwiegend Engländer anzustellen, dachte Mrs. Harris, und die Tatsache, daß sie das dachte, die Ohren spitzte und ihren scharfen Augen nichts entgehen ließ, war kennzeichnend für das, was ihr in letzter Zeit ständig im Kopf herumging. Wenn sie ihr Vorhaben ausführen wollte, die junge Russin außer Landes zu bringen, war es wichtig, alles Wissenswerte über diese Leute in Erfahrung zu bringen. Im Augenblick mußte sie ihre Beobachtungen allerdings auf die hinter dem langen Schalter befindlichen Angestellten beschränken, die sich alle Mühe gaben, ihre potentielle Kundschaft zufriedenzustellen.
Doch nun, da sie im Begriff stand, die selbstauferlegte Mission in die Tat umzusetzen, verspürte Ada plötzlich einige Gewissensbisse. Zwar hatte ihre furchtsame Freundin ihren Widerstand endlich aufgegeben und sich damit einverstanden erklärt, mit ihr nach Rußland zu fahren, aber sie ahnte natürlich nicht im entferntesten, was sie, Ada Harris, insgeheim plante, sobald sie erst einmal dort waren. Ada wollte auch nichts davon sagen, denn Mrs. Butterfield würde bestimmt außer sich geraten. Andererseits war Ada bereit, ihrer Freundin eine letzte Chance zum Aussteigen zu geben. Großmütig sagte sie: «Was meinst du, Vi? Sollen wir oder sollen wir nicht? Ich möchte nicht, daß ich dich zu etwas überrede, was du gar nicht willst. Wir können ebensogut woanders hinfahren. Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und wir blasen das Ganze ab.»
Doch die Schönheit der Bilder hatte Mrs. Butterfield völlig gefangengenommen. Nirgends war etwas Bedrohliches zu sehen, und das junge Mädchen hinter dem Schalter mit seinem vertrauten Cockney-Dialekt gab ihr das Gefühl, in Rußland sei es genau wie hier.
Den Blick auf die riesigen, bunten Plakate gerichtet, sagte sie: «Wie wunderschön. Wenn alles dort so ist, hätte ich nichts dagegen, mich selbst davon zu überzeugen.»
Ada legte ihre Hand auf Vis prallen Arm und erwiderte: «Liebling, du bist die beste Freundin, die ich mir wünschen kann.» Sie gab die beiden Gutscheine dem jungen Mädchen, das sie an einen gutaussehenden jungen Angestellten mit glutvollen dunklen Augen weiterreichte; er hätte Russe sein können, sprach jedoch ein perfektes Englisch.
Der dem
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