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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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es nicht so...
    Ohne ein Hellseher zu sein, spürte Bayswater schon lange, ehe er vor Mrs. Harris’ Haus hielt, oder vielmehr so dicht davor, wie er konnte, ein flaues Gefühl im Magen. Denn schon als er an diesem Donnerstagabend in Willis Gardens einbog, sah er die große Zahl der dort parkenden Wagen.
    Als er dann einen Platz für sein Vehikel gefunden hatte, fiel ihm noch etwas auf: Es waren lauter todschicke Autos. Offenbar war in der Nähe etwas Besonderes los, und mit noch größerem Unbehagen sah er, daß das in Nr. 5 sein mußte.
    Mit bösen Vorahnungen trat er ein, und im gleichen Augenblick flammte ein Blitzlicht vor ihm auf und blendete ihn fast. Aber er hörte trotzdem den Lärm einer fröhlichen Party, das Klirren und Klappern von Gläsern und Tellern, das Murmeln vieler Leute, Gekreisch und lautes Gratulieren.
    Als das verwirrende Bild zu verblassen begann und er durch die beiden grünen Flecke hindurchblicken konnte, die seine Augäpfel bedeckt hatten, sah er Ada Harris in Kopftuch und Kittel, einen Mop in der Hand, vor Fotoreportern und Kameraleuten posieren, und er sah Männer, die ihr ein Mikrofon hinhielten. An eine Schulter hatte sie einen großen Strauß roter Orchideen gesteckt, und sie schwamm sichtlich in Wonne. Um sie herum drängte sich außerdem eine Gruppe von Leuten, von denen er noch keinen je zuvor gesehen hatte. Sie schienen ganz nett zu sein, bis auf einen Mann in einem Anzug, der für ihn zu groß war und dessen sauertöpfisches Gesicht ihm wenig gefiel und der ihm in den kommenden Tagen noch unsympathischer werden sollte.
    Ein Mann mit einem Mikrofon in der Hand brüllte: «Oberst, würden Sie bitte die Rede noch einmal wiederholen? Die erste Aufnahme hat nicht ganz geklappt. Fertig! Los!»
    Ein älterer Herr mit militärischer Haltung trat einen Schritt vor, räusperte sich und sagte: «Mrs. Harris, mit einmütiger Zustimmung des Präsidiums der Mittelpartei von East Battersea bin ich beauftragt worden, Sie als unsere Kandidatin für das Parlament zu nominieren. Eine Kandidatin, die, wie wir sicher sind, uns bei den bevorstehenden Wahlen einen Sitz gewinnen wird. Dürfen wir Ihnen gratulieren und viel Glück wünschen?»
    «Das ist gut! Das ist gut!» rief der Mann mit dem Mikrofon. «Und jetzt, Mrs. Harris, Ihre Antwort.»
    Einen schrecklichen Augenblick lang sah sich John Bayswater in einer Kirche bei einer Trauung, wo der Pfarrer etwa folgendes sagte: «Wenn jemand etwas wissen sollte, was ein Ehehindernis wäre, soll er jetzt sprechen oder für immer den Mund halten.» Und dann sah er sich den Mittelgang hinauflaufen und hörte sich rufen: «Moment! Moment! Ich protestiere gegen diese Ehe. Hören Sie mich an!» Aber natürlich war das nur eine jener albtraumhaften Phantasien, und außerdem war es auch zu spät.
    Denn schon sagte Mrs. Harris: «Es ehrt mich sehr, und ich werde mein Bestes tun.»
    Ganz in ihrer Nähe schluchzte Mrs. Butterfield laut, und man vernahm donnernden Applaus und «Hört-hört»-Rufe.
    «Ausgezeichnet», sagte der Mann mit dem Mikrofon. Weitere Blitzlichter flammten auf, und dann begannen Reporter und Kameraleute ihre Geräte einzupacken. Plötzlich sah Mrs. Harris ihn, der noch ganz verwirrt in der Tür stand.
    «John», rief sie. «John Bayswater! Was sagen Sie dazu? Ich komme in die Regierung! Es ist alles so schnell gegangen, daß ich’s selber kaum fassen kann. Kommen Sie her, ich möchte Sie mit diesen netten Menschen bekannt machen.»
    Und gleich darauf wurde Bayswater den Mitgliedern des Wahlkomitees der Mittelpartei von East Battersea, ihrem Manager, einem Mr. Smyce — das war der, dessen Aussehen ihm nicht gefiel — und einem anderen namens Philip Aldershot vorgestellt, der einen besseren Eindruck machte. Champagner wurde herumgereicht. Reporter kritzelten noch in ihre Notizbücher, und in all dem Getriebe sah er, daß Ada Harris so glücklich wie ein Kind war und auch so unschuldig. Wie konnte er ihr da die Illusion rauben?
    In Verbindung mit dem, was er im Auto gehört hatte, war das, was geschehen war und geschah, nicht verwunderlich. Zweifellos hatte sich Ada Harris, durch das Gespräch über die Fernsehsendung in der Woche zuvor angeregt, vor Sir Wilmot produziert und ihm die Idee, sie für seinen schmutzigen Plan einzuspannen, eingegeben.
    Er wußte, warum sie so freudig erregt war. Sie hatte viel gesunden Menschenverstand und die angeborene Londoner Schläue, verbunden mit Liebe zu ihrer Welt und den Menschen, die in ihr wohnten,

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