Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
einen See. Den See kannte sie. Das Dorf auch, das vom Seeufer aufstieg. Petersthal. Dort war sie erst gestern noch gewesen. Gestern. Nein, das musste eine Ewigkeit her sein. Also, dieser Name.
»Peters, ja, Fiona, Fiona Peters.«
Am anderen Ende war Stille.
»Sind Sie noch da?« Um Himmels willen, hoffentlich legte die Frau nicht auf. Sie war ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Der Beweis, dass sie, Carina, noch lebte.
»Hallo?«
»Ja. Ich bin noch da. Ja. Aber wie soll ich sagen? Mein Mann ist nicht zu Hause. Er ist – … er ist –«
Carina Bauer hörte die Frau schluchzen. Dann ein Schnäuzen.
»Ich will Sie nicht damit belästigen. Es ist nur so, Frau Peters, mein Mann hat im Moment keine Zeit für Sie. Er ist zur Polizei gegangen.«
Carina Bauers Herz begann zu rasen. Was war passiert?
»Wenn Sie mir sagen, in welcher Angelegenheit Sie ihn sprechen wollen, kann ich Ihnen vielleicht helfen. Ich weiß nämlich nicht, wann er wieder zurück sein wird.«
Die Frau schnäuzte sich erneut.
Carina Bauer versuchte sich zu konzentrieren. »Wie ich Ihnen schon sagte, es geht um eine geschäftliche Verabredung.«
»Sind Sie etwa diejenige, die ihn so weit gebracht hat, dass er so einfach sein Leben über Bord geworfen hat? Einfach so, wie einen Kübel Unrat? Und damit unsere Familie und unser ganzes Leben zerstört hat? Sind Sie das?«
Carina Bauer schluckte. Kunze war zu den Bullen gegangen. So viel Schneid hatte sie ihm nicht zugetraut. Sie hatte ihn nur als winselnden Hund kennengelernt, der seine Schwanzgeschichten um jeden Preis vor seiner Frau verheimlichen wollte. Was jetzt?
»Sie sind das. Stimmt’s?«
Carina Bauer schwieg. Was sollte sie auch sagen? Dass ihre Pläne vom ganz großen Geld geplatzt waren? Dass nun auch die letzte Chance auf eine lebenswerte Zukunft dahin war?
Ihr musste etwas einfallen. Sofort.
»Hören Sie!«
Aber die Frau hatte aufgelegt. Zu hören war nur noch das Besetztzeichen.
Sie ließ das Telefon sinken. Was sollte sie Bongarts sagen?
Ihr ging ein Bild durch den Kopf. Die Frau am anderen Ende der Leitung. Wie sie auf ihrem Sofa zusammensank, das Telefon in ihrem Schoß, und den Tränen freien Lauf ließ.
»Was ist? Alle Unklarheiten beseitigt? Was machst du denn für ein Gesicht?«
Das Blut war aus ihrem Gesicht gewichen, auch ihre Arme und Hände spürte sie nicht mehr.
»Wann zahlt er?«
Carina Bauer sah auf ihre Hände. Wie schmal sie doch waren. Hände, die in ihrem Leben noch nicht getötet hatten. Sie würde sie gebrauchen müssen. Diese gepflegten Nägel und schlanken Finger würden über ihr Limit gehen müssen. Das waren sie ihr schuldig.
»Hallo?! Wann zahlt er? Antworte!«
Carina Bauer besah ihre Hände. So unschuldig. Sie waren so unschuldig.
»Du hast es verkackt.« Bongarts sah sie ungläubig an. »Hast du?«
Sie antwortete nicht. Sie wollte nie mehr sprechen. Schon gar nicht mit Bongarts.
»Du hast es verkackt! Ich fasse es nicht!« Bongarts schob langsam seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Du kleine miese Ratte.«
Carina Bauer sah, dass Bongarts nach seinem Messer griff. Er war noch zu verblüfft, um sie anzufassen.
Sie schloss die Augen.
»Herr Leuchtenberg?«
Die beiden Kommissare verstellten dem Anwalt den Weg, als er vor das Hotel trat.
Ferdinand Leuchtenberg schob sich die Sonnenbrille aus seinem Haar vor die Augen.
»Bitte?«
»Wir möchten Sie bitten mitzukommen.« Mayr und Jakisch hatten ihre Dienstausweise gezückt.
»Ich wüsste nicht –«
Robert Mayr unterbrach ihn barsch. »Wir haben eine ganze Reihe von Fragen an Sie. Wir haben Hinweise aus dem Rheinland bekommen bezüglich einiger Probleme dort.« Mayr betonte das Wort Rheinland so, als habe er versehentlich auf ein Pfefferkorn gebissen.
»Meine Herren, ich bin auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung. Können wir diese Unterhaltung nicht verschieben? Außerdem«, er deutete in die Umgebung, »glaube ich nicht, dass dies der geeignete Ort ist.« Leuchtenberg musterte Mayr abschätzig von oben bis unten.
»Genau«, schaltete Carsten Jakisch sich ein, der sich für die Lederhose seines Chefs schämte, »deshalb fahren wir ja auch nach Kempten ins Präsidium.«
Leuchtenberg wollte sich ungeduldig an den beiden Ermittlern vorbeischieben. »Hören Sie, ich habe es sehr eilig. Außerdem: Ich bin Anwalt. Sie können mich nicht so einfach mitnehmen. Ich kenne meine Rechte.«
»Niemand will Sie zwingen, Herr Leuchtenberg.« Robert Mayr beugte sich leicht vor, so
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