Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
es mit Richard Leenders zu tun. Der Rechtsmediziner schob offenbar Dauerdienst und machte nie Urlaub. Einer der Gründe, warum Leenders im Präsidium auch als Mad Doc bekannt war. Nur ein Verrückter konnte Spaß daran haben, Leichen zu obduzieren und dabei gleichzeitig Gedichte zu rezitieren. Im Augenblick stand die Lyrik Gottfried Benns bei Leenders hoch im Kurs.
Julia Dürselen hatte seinem Bericht zufolge keine Chance gehabt. Der Mörder hatte von hinten zugeschlagen. Mit einem eher schlanken Gegenstand, einem Brecheisen vielleicht, hatte Leenders gemutmaßt. Der Tatverlauf würde auf einen Einbrecher hindeuten, aber auch auf jemanden, den sie gekannt und eingelassen hatte.
Andererseits, welcher Freier brachte ein Brecheisen mit, das er dazu noch so lange verstecken musste, bis er sie gefesselt und ihr die Augen verbunden hatte? Zumal Dürselen als Edelnutte nur Kontakt zur »gehobenen Kundschaft« gepflegt hatte. Eine Eisenstange passte nicht unbedingt in die gepflegten Hände eines Anwalts. Leenders wollte auf jeden Fall weitere Untersuchungen machen, um die Tatwaffe besser eingrenzen zu können. Bislang hatte er keine Metallsplitter gefunden, die zu einem Brecheisen passen könnten.
»Sie hat ihr Abitur an der Bischöflichen Marienschule gemacht. Eine begabte Geigerin, wie der Schulleiter meinte. Wie kommt ein behütetes Mädchen an so einen Kalender?« Frank schlug den Aktendeckel zu.
»Vielleicht war sie am Anfang nur neugierig. Auf den Sex, auf die Kohle, auf das aufregende Leben nach der Schule. Was weiß ich. Sie wäre nicht die Erste, die so ihre Karriere begonnen hat. Und irgendwann konnte sie nicht mehr anders. Wer will schon auf leicht verdientes Geld verzichten? Zumal sie auf Klasse statt auf Masse gesetzt hat.« Ecki betrachtete die Tatortfotos, die ihnen Föhles’ Vertretung geliefert hatte. »Die Fotos von Ilgner sind klasse. Auch wenn er am Tatort wie immer leichenblass ausgesehen hat.«
»Er hat draußen auf den Bürgersteig gekotzt.«
»Er ist halt Künstler und nicht Polizeifotograf. Wie lange ist Föhles eigentlich noch krank?«
Frank zuckte mit den Schultern und zog einige der Abzüge zu sich herüber. »Keine Ahnung. Aber wir werden ihre Kundschaft noch mal durch den Wolf drehen. Mich würde vor allem interessieren, welcher ihrer Freier auf Fesselspiele steht.«
»Und wenn es jemand war, den sie sozusagen privat kannte und der sie nach dem Mord so präpariert hat, um uns auf die falsche Fährte zu schicken?«
»Wäre eine Option. Was macht die Auswertung des Laptops?«
»Bittner arbeitet noch daran. Es scheint ein paar verschlüsselte Dateien zu geben. Die wollen erst noch geknackt sein. Bittner macht uns aber wenig Hoffnung, dass das bis zum Wochenende klappt.«
»Heute ist erst Montag.«
»Du weißt, dass die Kriminaltechnik einen Berg Arbeit vor sich herschiebt.«
»Bittner sollte die Prioritäten kennen.« Frank ärgerte sich.
»Das sagen die Kollegen in den übrigen Kommissariaten auch. Ich werde das auf der nächsten Sitzung des Personalrats ansprechen. Der Präsident muss endlich reagieren und dem Ministerium Dampf machen.«
»Die interessiert doch nur der Neubau.«
»Ich bin sicher kein Freund des Innenministers, aber der kann im Augenblick auch nicht mehr tun als den Mangel verwalten. Wenn endlich im Herbst die Bagger anrollen und wir irgendwann ins neue Präsidium umziehen, wird sich auch unsere Personalsituation verändern. Wart’s ab.«
»Und solange soll ich ertragen, dass die KT unsere Fälle schön in Ruhe nacheinander abarbeitet? Dienst nach Vorschrift. Pah.«
»Du tust Bittner unrecht.« Ecki seufzte. »Was machen wir in Sachen Büschgens?«
»Sag du es mir. Wir haben mit der MK Dürselen im Augenblick eigentlich genug zu tun. Setz Schrievers dran. Er hat schließlich mit dem Bayern geredet.«
Ecki verkniff sich eine bissige Bemerkung, aber diese Art der Einteilung von Zuständigkeiten konnte nicht lange gut gehen.
»Ich weiß schon, was du sagen willst.«
»Genau, du bist urlaubsreif. Kann das sein?«
Frank fixierte das gerahmte Plakat mit den ineinander verschränkten schwarzen und weißen Händen, das er an eine Wand des Büros gehängt hatte und das die Verbindung von weißer und schwarzer Musik symbolisieren sollte.
»Das geht nun schon seit Monaten so. Ich will endlich mal wieder durchatmen können. Ich kann ja noch nicht mal mehr einen einzigen Nachmittag mit Lisa verbringen.«
»Du hast doch genug Überstunden. Fahrt doch weg.« Ecki
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