Ein Königreich für die Leidenschaft
interessiert gewesen, zu heiraten und ein normales Leben zu führen.
Aber als er erneut die alten Weisen gehört und an den traditionellen Ritualen teilgenommen hatte, war tief in seinem Inneren etwas angerührt worden: die Sehnsucht nach der Heimat, der Wunsch, wieder einzutauchen in ein Leben, das ihm von Kindheit an vertraut war. Der üppige tropische Dschungel und der kristallklare Ozean übten einen Reiz aus, dem nur schwer zu widerstehen war. Seine Heimat war ebenso verführerisch und gefährlich wie eine bildschöne Frau, und erst als es bereits zu spät gewesen war, war er sich dieser verheerenden Wirkung auf ihn bewusst geworden. Als er in der Falle saß, die ihm von der Tradition und der Erwartung vieler Menschen, die er nicht einmal kannte, gestellt worden war.
Doch daraus würde er sich befreien. In einem schwachen Augenblick hatte er sich von der Begeisterung der Menge zu etwas hinreißen lassen, das er eigentlich nicht wollte. Zornig auf sich selbst wandte er sich zu Lani um, die immer noch neben dem Bett stand und ihn schreckensbleich anstarrte. Hatte sie nicht gerade noch behauptet, sie sei so glücklich, dass sie mit ihm schlafen wolle? Alles Lüge.
„Du widerst mich an.“
Wie unter einem Hieb zuckte sie zusammen. „Es tut mir leid …“
„Noch eine Lüge. Wenn es dir leidtäte, hättest du es gar nicht erst getan.“
„Ich habe dir die Wahrheit gesagt.“
„Und wahrscheinlich hattest du einen guten Grund dafür.“ Vielleicht war die Aussicht, mit einem Mann ins Bett zu gehen, den sie nicht einmal mochte und schon gar nicht liebte, selbst für eine gefühlskalte Frau wie sie zu viel. „Wahrscheinlich ist dir klar geworden, dass du es doch nicht ertragen kannst, den Bruder deines Mannes zu heiraten, Tradition hin oder her.“
Sie senkte den Kopf. „Ich bin immer noch bereit, dich zu heiraten.“
Er lachte verächtlich. „So? Das ist ja sehr großzügig. Du bist bereit, dein Leben zu opfern, genauso wie deinen Körper. Vielen Dank, aber ich habe kein Interesse. Und nun geh, bitte!“ Mit zitternder Hand wies er auf die Tür. Es war so offensichtlich, dass Lani ihm ihr Verlangen nur vorgespielt hatte. Und es ärgerte ihn maßlos, dass sie versucht hatte, ihn ins Bett zu locken, obwohl sie das ganze Ehearrangement doch nur als Pflicht ansah. Aber nun wusste er wenigstens, weshalb.
Lani rührte sich nicht von der Stelle.
„Geh!“
Hastig sah sie sich um, denn die Fenster standen offen. Zögernd griff sie nach ihrem Gewand. „Wahrscheinlich sind die Gäste noch da …“, flüsterte sie.
„Na und? Halb angezogen wirkst du doch noch überzeugender. Jeder wird denken, dass du gerade mit mir im Bett warst. Das wolltest du doch, oder? Damit sie dir später auch abnehmen, dass ich der Vater deines Kindes bin.“
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Das habe ich alles nicht gewollt.“
„Ich auch nicht. Du hattest aber immerhin die freie Wahl, als du dich entschlossen hast, meinen Bruder zu heiraten. Ich wurde in diesen ganzen Zirkus hineingeboren. Es hat mich viele Jahre meines Lebens gekostet, mich davon zu befreien. Und beinahe hätte ich den Fehler begangen, mich durch üble Tricks von dir und meiner Mutter erneut in die ganze Sache hineinziehen zu lassen. Du weißt genau, wie du wirkst, und bist es wahrscheinlich gewohnt, dass alles so läuft, wie du es willst.“
Mit tränenverschleiertem Blick sah sie ihn an, und das machte ihn nur noch wütender. „Ich habe gesagt, dass du gehen sollst!“ Wenn sie jetzt nicht bald verschwand, schaffte sie es möglicherweise noch, ihn mit irgendeiner rührseligen Story zu erweichen. Schnell bückte er sich, hob die Schärpe auf und warf sie ihr zu. Hoffentlich verschwand sie jetzt, bevor er es sich anders überlegte.
Eine knappe Stunde zuvor erst hatte er angekündigt, zu bleiben und die Krone zu übernehmen. Stolz hatte er bemerkt, dass sein Volk in ihm seine Zukunft sah, und er hatte sich so gut wie schon lange nicht mehr gefühlt, als alle ihm als dem neuen König zujubelten. Allerdings war das unter falschen Voraussetzungen geschehen, denn sie hatten nicht gewusst, dass bereits ein neuer Herrscher oder eine neue Herrscherin „unterwegs“ war.
Schweigend band Lani sich die Schärpe um die immer noch sehr schmale Taille, und AJ fragte sich, ob sie wohl wirklich schwanger war. Vielleicht war das ihr letzter Versuch gewesen, ihn doch noch von der Heirat abzubringen. Allmählich wusste er nicht mehr,
Weitere Kostenlose Bücher