Ein Koenigreich fuer die Liebe
Klänge von Prokof ews „Cinderella” einsetzten.
Es war die Generalprobe, und Sofia war trotz des Hochgefühls, das sie verspürte, ein bisschen nervös. Als sie in den Kulissen auf ihren Auftritt wartete, dachte sie ausnahmsweise einmal nicht an ihre Probleme, sondern nur daran, dass sie ihr Bestes geben musste.
Es war jetzt zwei Wochen her, dass sie in den Palazzo Verde zurückgekehrt war, und seitdem ging alles mehr oder weniger wieder seinen gewohnten Gang. Sie hatte sich in ihre Arbeit gestürzt und verbrachte soviel Zeit wie möglich mit Alessandro - trotz der Einschränkung, die Damiano ihr auferlegt hatte.
Dass immer jemand dabeisein musste, passte ihr überhaupt nicht. Doch vorerst würde sie es akzeptieren, weil sie es in gewisser Weise verstehe n konnte. Sobald sie ihm aber bewiesen hatte, dass er ihr vertrauen konnte, wollte sie ihn dazu überreden, wieder mit Alessandro allein sein zu dürfen.
Momentan war sie froh darüber, Damiano nur selten zu sehen, denn zum Glück hatte es keinen Termin gegeben, den sie gemeinsam wahrnehmen mussten, und im Palast begegneten sie sich nur selten. Sie waren einander wieder fremd geworden, als wären sie nie in London gewesen.
Die zahlreichen Ballettproben hatten Sofia ein wenig abgelenkt. Allerdings hatte sie Madame Ulana gesagt, sie müsse eventuell kurzfristig zurücktreten, und es sei daher wichtig, dass die Ersatztänzerin gut vorbereitet sei. Ihr war nämlich klar, dass Damiano sie jederzeit zum Aussteigen zwingen konnte. Es überraschte sie sogar ein wenig, dass er es noch nicht ge tan hatte. Vermutlich lag es daran, dass er es vergessen hatte.
Und das überraschte sie genausowenig. Sicher dachte er überhaupt nicht an sie.
In dem Punkt irrte sie sich jedoch gewaltig. Und Damiano hatte auch nicht vergessen, dass sie bei „Cinderella” mitwirkte. Zufällig hatte er in letzter Zeit sogar ständig an sie und das Ballett gedacht. Und genau in, diesem Moment dachte er auch daran.
Wenn Sofia sich nicht so sehr auf ihren bevorstehenden Auftritt konzentriert hätte, hätte sie die Gestalt bemerkt, die gerade den Zuschauerraum betreten hatte und sich unauffällig in eine der hinteren Reihen setzte. Diese Gestalt trug einen dunklen Mantel, dessen Kragen hochgeklappt war, und einen Borsalino, der das Gesicht beschattete. Es war Damiano, und er war froh, dass Sofia ihn nicht gesehen hatte.
Es war nicht das erstemal, dass er zu den Proben gekommen war. Vor einigen Tagen war er am Theater vorbeigefahren und hatte zufällig erfahren, dass gerade geprobt wurde. Da er noch etwas Zeit vor seinem Termin gehabt hatte, hatte er seinen Chauffeur gebeten, ihn abzusetzen und auf der anderen Straßenseite zu warten. Dann war er in den dunklen Zuschauerraum geschlüpft, ohne dass jemand ihn bemerkt hätte.
Und was er dort gesehen hatte, hatte ihn unerwartet stark beeindruckt.
Nun lehnte er sich in seinem Sitz zurück und wartete auf Sofias Auftritt. Er wusste nicht genau, warum er vor einigen Tagen ins Theater gekommen war. Vielleicht aus Neugier, aber er hatte Sofia nicht nur überwachen wollen. Damit hätte er auch jemanden beauftragen können. Nein, als sie in London über ihre Mitwirkung bei „Cinderella” gesprochen hatten, hatte Sofia ihn überrascht. Ohne dabei hysterisch zu werden, hatte sie ihm vorgeworfen, er würde sie wie ein Kind behandeln, und ihn gebeten, im Zweifelsfall manchmal zu ihren Gunsten zu entscheiden. Er hatte sich selbst davon überzeugen wollen, ob ihre Vorwürfe berechtigt waren.
Auf der Bühne sank Cinderella gerade mutlos in die Ecke, als ihre böse Stiefmutter und ihre hässlichen Schwestern zum Ball gingen. Damiano beugte sich unwillkürlich vor, denn jetzt trat Sofia auf.
Graziös wie eine professionelle Tänzerin betrat sie die Bühne. Sie trug ein langes weißes Kleid und hatte einen funkelnden Zauberstab in der Hand. Ihr langes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt. Sie war die schönste gute Fee, die er je gesehen hatte.
Damiano musste sich eingestehen, dass sie recht gehabt hatte. Er hatte sie falsch eingeschätzt. Sofia trug kein Tutu und hüpfte auch nicht über die Bühne. In dieser Rolle brauchte sie nämlich nicht zu tanzen. Sie war jeder Zoll eine Herzogin.
Während er sie wie gebannt betrachtete, verspürte er ein schmerzliches Gefühl des Verlusts. Nach dem Debakel wegen seiner Reise nach Genf hatte er geglaubt, einfach wieder so weitermachen zu können wie vor ihrem Aufenthalt in London. Doch in London war etwas mit ihm
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