Ein koestliches Spiel
können. Ihr Mann muss sie sich allerdings zuerst gründlich ansehen. Das letzte Mal, als ich eine Droschke genommen habe, stank das Innere grässlich nach Zwiebeln. Und achten Sie auf die Sitze. Wenn ich meine Großnichte auf die Sitze legen will... ach, Himmel, ich werde sie mir selbst ansehen. Außerdem brauche ich etwas frische Luft nach all der Aufregung.“ Er drehte sich wieder zu Lily um und befahl ihr: „Lass sie ja nicht allein, auch nicht für einen Moment, hörst du?“
„Jawohl, Sir Oswald.“ Vor ihrem geistigen Auge konnte Prudence Lily knicksen sehen. Sie hörte den Duke und Großonkel Oswald den Raum verlassen. Es herrschte Stille. Sie war nun alleine mit Lord Carradice und Lily.
Prudence lag ganz still, die Augen fest geschlossen, und versuchte zu entscheiden, wann der günstigste Zeitpunkt wäre, sich von dem Schwächeanfall zu erholen. Sie verspürte nicht den Wunsch, Großonkel Oswald zu erlauben, noch einmal über ihre nunmehr aufgelöste Verlobung mit dem falschen Duke Lord Carradice nachzudenken. Auf der anderen Seite glaubte sie nicht, sie könnte es unbeschadet überstehen, wenn Lord Carradice sie zur Droschke trug. Es war so ... aufwühlend.
Reglos, mit geschlossenen Augen und gleichmäßig atmend, erwog Prudence ihre Möglichkeiten. Kleopatras Barke war erstaunlich bequem. Sie lag ausgestreckt darauf, bemerkte sie, anstatt züchtig zu ruhen, und musste ein Lachen unterdrücken.
„Lily, nicht wahr? Ich frage mich, dürfte ich Sie damit belästigen, rasch in die Küche zu laufen und die Haushälterin Mrs. Henderson um etwas Riechsalz zu bitten?“, erkundigte sich Lord Carradice mit leiser, tiefer Stimme, die förmlich vor Charme troff.
„Oh, nun gut, Sir, es ist nur ..." Lily zögerte.
Lord Carradice lachte leise. „Sie werden doch nicht glauben, dass ich Ihrer Herrin etwas antun will, oder?“ Seine Stimme war wie warmer, goldener Honig.
Prudence versteifte sich. Keine Frau konnte dieser Stimme widerstehen, und ganz bestimmt kein einfaches Mädchen vom Land wie Lily. Sie beschloss, Lily einen Anreiz zu geben, zu bleiben, und stöhnte leise, als wollte sie zu sich kommen.
„Sehen Sie“, verkündete Lord Carradice sogleich. „Sehen Sie, sie wacht bald auf. Schnell, laufen Sie und holen Sie sofort das Riechsalz, meine Gute.“
„Aber Sir Oswald hat doch gesagt... Sollte ich nicht hierbleiben?“
„Was, wenn sie wieder hinfällt, Lily? Ein so zierliches Persönchen wie Sie könnte sie niemals auffangen. Nein, ich glaube, es ist besser, wenn ich hier bleibe. “
Zierliches Persönchen, dass ich nicht lache, dachte Prudence wütend. Lily war mindestens zwei Zentner schwer, und es war allgemein bekannt in der Dienerschaft, dass sie einmal einen vorlauten Lakai mit einer einzigen Ohrfeige zu Boden gesandt hatte. Was für ein unverbesserlicher Schwerenöter! Fleischgewordene Verderbtheit. In ihm war kein Funken Aufrichtigkeit.
„Ja, natürlich, Sir“, erklärte Lily in benommenem, bewunderndem Ton. „Das wäre wirklich besser. Ich hole rasch das Riechsalz, keine Sorge.“
„Und vielleicht einen belebenden Trank“, schlug Lord Carradice in besorgtem Ton vor. „Mrs. Henderson wird wissen, welchen. “
Dann war es ganz still im Raum. Prudence spürte mit einem Mal etwas Warmes an ihrem Bein. Er hatte doch wohl nicht allen Ernstes die Kühnheit, sich einfach neben sie zu setzen. So dicht, dass sie die Hitze seines Körpers durch ihre Röcke hindurch spüren konnte. Vorsichtig hob sie die Augenlider und blickte geradewegs in das dunkelste, lebhafteste Augenpaar, das sie je gesehen hatte. Er beugte sich über sie, seine Hände rechts und links von ihr um die vergoldeten Ränder der Barke gelegt. Er berührte sie nicht, aber er hielt sie doch gefangen. Wenn sie versuchte, sich aufzusetzen, würde sie ihn beiseitestoßen müssen, und sie wusste ja, wie stark er war. Nie in den letzten Jahren war sie so mühelos getragen worden.
„Und, fühlen Sie sich besser?“ Er lächelte auf sie herab.
Es sollte ein Gesetz gegen ein Lächeln wie dieses geben, überlegte Prudence benommen. Aber zweifellos lächelte er jedes leicht zu beeindruckende weibliche Wesen so liebevoll an. Sie sammelte ihre Truppen. „Sie wissen sehr gut, dass ich nicht wirklich ohnmächtig geworden bin. Eigentlich sollten Sie mir dafür dankbar sein.“
„Oh, das bin ich doch“, erklärte er mit seinem unverbesserlichen Grinsen. Irgendwie wusste sie, dass er davon sprach, wie er sie in den Armen gehalten
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