Ein Konkurrent zum Kuessen
„Es geht um eine ziemlich wichtige Angelegenheit.“
Ihre Schwester wurde blass. „Hat es mit Seaborn’s zu tun? War die Frühjahrskollektion ein Flop?“
„Reg dich bitte nicht auf, das tut dir nicht gut. Mit Seaborn’s ist alles in Ordnung.“
Zumindest würde das bald der Fall sein, sobald Jax ihre Edelsteinpreise nicht mehr unterbot.
„Was ist es dann?“
Unzählige Male hatte Ruby überlegt, wie sie ihrer Schwester die Neuigkeit mitteilen sollte. Einfach würde es in keinem Fall werden. Sie atmete tief ein und platzte heraus: „Ich habe geheiratet.“
Ungläubig sah Sapphie sie an. „Was?“
Ruby drückte die Hand ihrer Schwester. „Ich habe jemanden kennengelernt, als ich während der Perlenmesse in Broome war. Seitdem haben wir eine Fernbeziehung geführt.“
„Und warum hast du mir nie etwas davon erzählt?“ Sapphie schüttelte verständnislos den Kopf. „Wir erzählen uns doch sonst alles!“
Nicht alles, dachte Ruby traurig. Der Altersunterschied zwischen ihnen betrug nur eineinhalb Jahre, und sie hatten immer ein enges Verhältnis zueinander gehabt. Und doch hatte ihre Schwester fast ein Jahr lang die heikle Lage des Familienunternehmens vor ihr geheim gehalten. Das schmerzte noch immer.
Auch Ruby tat es weh, nun selbst nicht aufrichtig sein zu können. „Es ging um den richtigen Zeitpunkt. Wir wollten unbedingt jetzt heiraten …“
„Du bist schwanger!“
„Nein“, antwortete Ruby hastig. „Du weißt, dass ich kein Fan ausschweifender Hochzeitsfeiern bin. Also gab es nur eine ganz schlichte standesamtliche Trauung.“
Als Sapphies Blick auf die Kette fiel, blinzelte sie. „Du trägst ja Mums Perlen …“
Liebevoll strich Ruby über die seidenglatten Perlen – als wären sie ein Talisman. „Ja. So habe ich mich ihr näher gefühlt.“
Ihre Schwester schniefte leise. „Sie hätte sich bestimmt für dich gefreut.“
„Freust du dich denn?“, fragte Ruby leise.
In Sapphies Augen glänzten Tränen, doch sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.“
„Ich bin glücklich.“ Glücklich, dass sie eine Lösung gefunden hatte, um Seaborn’s zu retten, glücklich, dass sie endlich ihren Teil der Verantwortung für das Familienunternehmen tragen konnte, glücklich, dass sie so unerwartet den Wunsch ihrer Mutter erfüllen konnte, den diese auf dem Sterbebett geäußert hatte.
Sapphie kniff sich in die Nase, wie sie es schon als Kind immer getan hatte. „Und wer ist der Glückliche?“
Ruby drückte sich die Finger in die Handflächen, holte Luft und sagte: „Jax Maroney.“
Lautlos wiederholte Sapphie den Namen und saß dann absolut reglos da, als stünde sie unter Schock.
Wieder nahm Ruby ihre Hand. „Ich weiß, das kommt überraschend …“
„Du weißt überhaupt nichts.“ Abrupt entzog Sapphie ihr die Hand und sah Ruby vorwurfsvoll an. „Du erwartest doch wohl nicht, dass ich dir diesen Unsinn abnehme!“
„Es stimmt aber“, sagte Ruby leise.
Sapphie war so aufgebracht, dass sie rote Flecken im Gesicht hatte. „Ich habe mich im vergangenen Jahr vielleicht übernommen und hatte einen Zusammenbruch, aber ich bin nicht blöd. Um Jax Maroney zu heiraten, musst du die größte Idiotin sein, die auf der Erde herumläuft.“
Ruby setzte den halb flehenden, halb unschuldigen Blick ein, den sie in der Vergangenheit mehrfach ausprobiert hatte: als sie Sapphies Barbie die Haare geschnitten hatte, als sie sich die Lieblingsstiefel ihrer Schwester ausgeliehen und einen Absatz abgebrochen hatte – und als sie mit einem langhaarigen Heavy-Metal-Gitarristen ausgegangen war, weil ihre Schwester ihn für nicht gut genug befunden hatte. Doch leider funktionierte es nicht – wie schon damals.
„Hör auf, mich so gespielt reumütig anzusehen, und sag mir, verdammt noch mal, was du dir dabei gedacht hast!“
Es fiel Ruby unendlich schwer, ihre Schwester zu belügen. Sie hatten einander schon immer nahegestanden. Und seit dem Tod ihrer Mutter hatten sie nur noch einander.
Plötzlich begriff Sapphie. „Oh, mein Gott! Du hast es für Seaborn’s getan!“
„Na ja … so schlimm ist er eigentlich nicht, wenn man ihn etwas besser kennt, und …“
„Blödsinn“, fiel Sapphie ihr ins Wort. „Wir steuern auf die Pleite zu, und du gehst energisch die Ursache des Problems an. Genauso, wie du es schon als Kind getan hast.“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber das hier ist kein Spiel, das du einfach beenden kannst, wenn es
Weitere Kostenlose Bücher