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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Graves
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über den Tathergang erzählt hatte.
    John hatte Recht behalten. Sie beide hatten geträumt. Es war einfach idiotisch, hier nach jemandem suchen zu wollen. Selbst wenn sie jemanden sah, der verdächtig gekleidet war - was wollte sie dann tun? Zu ihm hingehen und ihm ins Gesicht sagen, dass er einen Supermarkt überfallen hatte? Vielleicht konnte sie seinen Namen in Erfahrung bringen, aber was dann? Wie sollte sie die Sache weiter verfolgen, wenn John nicht da war, um ihr zu helfen?
    Während sie einen Mann in gelbem Chiffonkleid beobachtete, der »The Yellow Rose of Texas« sang und von einer Horde betrunkener Männer in Frauenkostümen bejubelt wurde, erkannte sie, wie dumm sie gewesen war. Das Einzige, was sie an diesem Abend erwarten konnte, war, von jemandem erkannt zu werden. Und diese Gefahr war insbesondere durch Steves Anwesenheit gegeben. Außerdem zog sie Paula in die ganze Sache hinein.
    Es reichte. Sie durfte sich keine Sekunde länger an diesem seltsamen Ort aufhalten und auf das Unmögliche hoffen.
    Sie beugte sich zu Paula hinüber. »Die Show ist fast vorbei. Lass uns gehen.«
    »Aber du hast doch noch gar nichts erreicht!«
    »Und ich werde auch nichts mehr erreichen. Es war verrückt von mir, daran zu glauben. Gehen wir jetzt? Bitte!«
    Paula seufzte. »Na gut. Wenn du meinst.«
    Renee legte Geld auf den Tisch und schob sich durchs Publikum, das für »The Yellow Rose of Texas« applaudierte. Der Moderator kündigte den nächsten Wettbewerbsbeitrag an. Renee schaute sich kurz um und sah jemanden, der mit unsicher wirkenden Schritten auf die Bühne kam. Der Mann trug eine kurze schwarze Perücke, eine blaue Hose und ein übergroßes blaues Seidentop. Mit einem Mikrofon in der Hand setzte er sich auf einen Hocker in der Mitte der Bühne. Selbst aus dieser Entfernung erkannte Renee, dass die nächste Nummer eine Judy-Garland-Imitation sein musste, bei der sich die arme Judy wahrscheinlich im Grab umdrehte.
    Renee schaute ein letztes Mal zum DJ hinüber. Steves Aufmerksamkeit wurde völlig von der Show beansprucht, sodass er nichts bemerken würde, wenn sie durch die Tür hinausschlüpften. Renee sehnte sich nach ihrem hässlichen, aber ruhigen kleinen Motelzimmer, wo sie versuchen würde, ihren Realitätssinn wieder zum Leben zu erwecken, um einen sinnvollen Fluchtplan zu schmieden. Morgen um diese Zeit würde sie sich hoffentlich in einer ganz anderen Stadt eine Bleibe für die Nacht suchen.
    Dann begann die Musik, und das Judy-Double sang. Sanft und traurig. Eine wunderbare Interpretation von »Somewhere Over the Rainbow«, mit einer Stimme, die durchaus Ähnlichkeit mit der von Judy Garland hatte.
    »Oh!«, rief Paula und drehte sich um. »Ich liebe dieses Lied!«
    »Paula, bitte! Lass uns von hier verschwinden!«
    Aber Paula rührte sich nicht von der Stelle, sondern starrte auf die Bühne.
    »Paula! Kommst du endlich?«
    »Renee?«
    »Was ist?«
    Paula zeigte auf die Bühne. »Hast du seine Ohrringe gesehen?«
    Sie befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raums, aber Renee konnte trotzdem gut erkennen, dass der Mann große Ohrringe trug. Baumelnde Reifen in allen Regenbogenfarben. Sie riss sich die Sonnenbrille von der Nase.
    Regenbogenfarben? »Somewhere Over the Rainbow«?
    Was hatte das zu bedeuten?
    Sie ging zurück und schob sich durch die Menge. Dabei wurde sie von allen Seiten angerempelt und wäre fast mit ihren zehn Zentimeter hohen Absätzen umgeknickt, aber schließlich war sie nur noch wenige Meter von der Bühne entfernt. Weiter kam sie nicht. Hier bildete das Publikum eine undurchdringliche Mauer aus Perlen, Pailletten, Satin und Spitze. Sie reckte den Kopf nach links und rechts, um den Leuten über die Schulter zu schauen. Sie wollte sich vergewissern, wie die Ohrringe des Sängers aussahen. Ja, sie erinnerten tatsächlich an einen Regenbogen, aber noch war sich Renee nicht ganz sicher.
    Ein Stück rechts von ihr führten vier Stufen zu einem Vorhang. Vermutlich gelangte man auf diesem Weg hinter die Bühne. Wenn sie sich beeilte, konnte sie den Kerl nach seinem Auftritt abfangen und ihn sich aus der Nähe anschauen. Sie schob sich an einem rothaarigen Mann mit lilafarbenem, perlenbesetztem Kleid vorbei und näherte sich den Stufen.
    Und lief John praktisch in die Arme.
    Er hielt sie an den Schultern fest. Sie starrte schockiert zu ihm hinauf. Einen Herzschlag später leuchteten seine Augen auf, als er sie erkannte. »Renee?«
    Er ist hier; um mich zu verhaften.
    Es war

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