Ein Land, das Himmel heißt
dass jemand etwas von der vergangenen Nacht erfuhr. »Hast du gut geschlafen, ohne mich?«
»Natürlich nicht. Ich hab mich die ganze Nacht schlaflos im Bett gewälzt und mich nach dir verzehrt.«
Er lachte, ein intimes Lachen, und küsste noch einmal ihre Hand, jagte ihr eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Gegen Ende des Frühstücks beugte sie sich ganz nah zu ihm. »Wir haben noch fast eine Stunde Zeit. Lass uns verschwinden, ich weiß einen Platz, wo wir allein sind«, raunte sie, »wir treffen uns vor dem Haus.«
Kurz vor Sonnenaufgang musste es heftig geregnet haben, weit entfernt über dem Meer leuchtete eine schiefergraue Wolkenwand. Als er zu ihr trat, tauchte die Sonne strahlend aus dem Wolkenmeer auf, warf flirrende Schatten auf die regenglänzende Erde. Die Hände ineinander verflochten, wanderten sie über den Hof, den gepflasterten Weg hinunter und standen endlich in Catherines Küchengarten. Jetzt, nach dem Regen, entfalteten die Kräuter ihr volles Aroma. Basilikum, Koriander, Rosmarin parfümierten die weiche Luft. Prächtige Schmetterlinge bildeten eine kostbar schillernde Kette am Rand einer Pfütze.
»Welch ein wunderbarer Platz.« Nils setzte sich auf die kleine Steinmauer, die einst Catherine gebaut hatte, und zog Jill auf seine Knie. »Hier darfst du nie etwas verändern, dieser Ort hat magische Kräfte, ich spüre seine Geschichte. Hier ist das Herz von Inqaba.«
Ein Ameisenkribbeln lief über ihre Haut. Wie konnte er das ahnen? Es passte nicht zu seinem Image als abgebrühter Reporter. Sie glitt von seinem Schoß, nahm seine Hand. »Du hast Recht, komm mit.« Sie zog ihn zu dem Kreis der Korallenbäume. Jetzt im Februar war ihr Blätterwerk dicht, versteckte die aschbraunen Äste. Die Blütezeit war lange vorüber, nur hier und da prangte noch ein feuriges Krönchen als Nachblüte. Viele der schwarzen Samenschoten waren schon aufgeplatzt, die rot glänzenden Samen leuchteten hervor. Sie deutete auf den alten Korallenbaum, dessen abgestorbene Hälfte vor einiger Zeit zusammengebrochen war. Von dem oberschenkeldicken knorrigen Ast mit der weit gefächerten Krone war kaum etwas übrig. Ameisen bevölkerten das modrig zerfallene Holz, Lianen überzogen es mit kleinen weißen Trichterblüten, hier und da spross schon ein Sämling. »Früher hießen diese Bäume Kaffirbäume, und hier hat der gestanden, an dem sich Catherine verletzt hat. Wie die Steinachs hat er sich fortgepflanzt, von Generation zu Generation.«
Nils brach ein Krönchen, steckte es ihr über dem Ohr ins Haar und trat einen Schritt zurück. Regentropfendiamanten glitzerten auf dem leuchtenden Scharlach. »Mein Gott – ich wünschte, ich hätte eine Kamera hier«, flüsterte er andächtig.
Die Sonne hatte die Wolken weggetrocknet, ihre Strahlen brannten heiß auf ihrer Haut. Die Zikaden sangen, aber das unterstrich nur die tiefe Stille. Sie pflückte eine Schote, ritzte sie auf und zeigte ihm die glänzend roten Samen in ihrem schwarzen Bett. Dann erzählte sie ihm von den Früchten des Kaffirbaums und wen sie damit meinte. Als ihre Stimme verklungen war, nahm er ihre Hand, in der sie die Schote hielt, bog sie auf. Zwei der Samen suchte er aus, die größten und schönsten mit den schwärzesten Augen, die glänzten, als seien sie rot lackiert. »Diese beiden möchte ich pflanzen, und ich werde immer wieder herkommen, um zu sehen, ob sie gedeihen. Zeig mir den Platz, wo sie groß und stark werden können.«
Ihre Kehle war zugeschnürt, ihre Stimme gehorchte ihr nicht. Mit leuchtenden Augen zeigte sie stumm auf einen kreisrunden Fleck, der frei unter dem brennend blauen Himmel lag, den kein anderer Baum beschattete. Zusammen säuberten sie ihn von Unkraut, lockerten den Boden mit einem keilförmigen Stein und bohrten ein Loch. Sie legten die beiden Kaffirbaumfrüchte nebeneinander hinein, füllten das Loch wieder auf und traten die Erde fest. Dann suchten sie ein paar große Steine zusammen, legten sie im weiten Kreis um die Stelle. Jill zerkrümelte die Erde zwischen den Fingern. Sie war noch feucht vom Regen. Die Samen würden bald keimen und zwei Bäume daraus wachsen, und eines Tages würden auch sie Früchte tragen. Hand in Hand standen sie davor. Nils glättete noch einmal sorgfältig die Erde, bevor sie zurück zu den anderen gingen.
Kurz darauf ertönte Hupen. Musa wartete im offenen Geländewagen. Rasch kontrollierte Jill, ob Nelly und Bongi alles für das Picknick in den Wagen geladen hatten, und
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