Ein Land, das Himmel heißt
mich als Container-Pflanze bezeichnen, die ihre Wurzeln nie in die Erde senkt. Ich beneide dich um deine.« Er dachte einige Augenblicke nach. »Ganz außerordentlich sogar. Mehr, als ich es mir selbst erklären kann«, setzte er hinzu, und sie hörte das Erstaunen in seiner Stimme.
Die Scherenschnittschatten der rüschigen Daturas vor dem Fenster tanzten wie zierliche Ballerinas im Mondlicht über die Wand. Jill lag auf dem Rücken neben ihm, beobachtete eine Gottesanbeterin, die, auch als Scherenschnitt, an einem Zweig hochkletterte. »Vielleicht sollte ich dich beneiden. Du bist frei wie ein Vogel. Gibt es Probleme, kannst du einfach deine Koffer packen.«
»Ich war einmal krank«, sagte er, »mich hatte die asiatische Grippe erwischt. Der Arzt verordnete strikte Bettruhe. Da ich niemanden hatte, der für mich sorgen konnte, und Axel, der Einzige, der in Frage gekommen wäre, zu der Zeit durch den indonesischen Dschungel auf der Suche nach einer heißen Story über Rebellen kroch, wies er mich ins Krankenhaus ein. Dort wollte man wissen, wo meine nächsten Angehörigen leben, und da war ich in Schwierigkeiten.« Er unterbrach sich, küsste sie ausgiebig. »Mein Vater wohnt in Rom«, fuhr er dann fort, »meine Mutter, die sich schon vor achtzehn Jahren von ihm hat scheiden lassen, ist in Rio verheiratet. Unsere Familie, die aus der Potsdamer und Münchner Gegend kommt, habe ich nie kennen gelernt. Was würde passieren, wenn du so krank wärst, dass du Pflege brauchst?«
Sie stellte sich diesen Fall vor. »Irma, Angelica, Lina, Tita, Nelly – alle würden zur Stelle sein und mich gnadenlos verwöhnen …«
»Siehst du?« Er lachte leise.
»Aber du lebst doch jetzt in Hamburg?«
»Ich habe da eine Wohnung, die ich nur ein paar Wochen im Jahr sehe, nicht häufig genug, um auch nur eine Topfpflanze zu halten. Nach Hamburg bin ich gegangen, als ich mich entschloss, Journalist zu werden. Es ist die Medienhauptstadt Deutschlands und hat eine der besten Journalistenschulen. Seitdem bin ich selten länger als ein paar Tage am selben Ort.«
»Und jetzt hast du in jedem Hafen eine Freundin«, platzte sie heraus und hätte die Worte am liebsten sofort zurückgestopft.
»Ja, natürlich, so sind wir Reporter«, antwortete er ernst, aber das Glitzern in seinen Augen verriet ihn. »Es gab da mal jemanden, aber sie wollte eine Familie und mochte nicht warten. Kann ich auch verstehen. Aber dafür ist auch später noch Zeit.« Mit langsamen Bewegungen streichelte er ihren Arm hoch, verweilte ein wenig auf ihrer Schulter, dann glitt seine Hand abwärts.
Sie ließ sich ablenken.
Das Mondlicht wanderte langsam weiter, die Datura-Ballerinas tanzten in die Nacht, die Geckos kicherten, die Deckenbalken im Schatten über ihnen knisterten, und um vier Uhr morgens fiel sie endlich in ihr eigenes Bett, schlief tief und traumlos, bis die Hadidahs sie weckten.
13
D er Sonntag begann mit Gefühlen. Ihr Kopf schien kürbisgroß, die Lider brannten, die Zunge klebte am Gaumen, ihre Glieder waren so schwer, als hätte jemand Bleigewichte darangehängt. Sie hatte einen mordsmäßigen Kater. Trotz dieser Widrigkeiten sprang sie energiegeladen aus dem Bett, tänzelte durchs Zimmer, sang unter der Dusche. Der Tag konnte nur unglaublich schön werden. »Kätzchen hat einen Kater«, trällerte sie, und ihr Herz hüpfte.
Heute früh würden sie und Philani ihre Gäste bei dem ersten offiziellen Rundgang durch Inqaba begleiten, nachdem Musa sie mit dem Geländewagen durch einen Teil des angrenzenden Hluhluwe-Wildreservats gefahren hatte. Die großen fünf lebten dort, Löwe, Leopard, Elefant, Nashorn und Büffel. Gegen Mittag würden sie zurückkehren, dann war ein Grillfest an dem schattigen Rastplatz geplant, den sie gegenüber dem verwilderten Gebiet am Fluss unter dem alten Stinkwood-Baum angelegt hatte, danach die Erkundung der Umgebung mit Philani zusammen zu Fuß.
Auf der Terrasse fand sie ihre Gäste, die sich offenbar als verwandte Seelen entdeckt hatten, denn sie hatten ihre Tische zusammengeschoben und waren angeregt ins Gespräch vertieft. Lautes Planschen am Swimming-Pool sagte ihr, wo das Paar aus Kapstadt sich aufhielt. Thandi allerdings war nicht zu sehen. Jill musste ein nervöses Flattern im Magen unterdrücken. Sie spürte, dass da etwas im Busch war. Wortwörtlich.
Dann erschienen Nils und Axel. Ihr Gesicht begann zu glühen. »Hi«, sagte er sehr leise, begrüßte sie mit einem Handkuss, wollte wohl so wenig wie sie,
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