Ein Land, das Himmel heißt
eine Wendeschleife ab, die sich in eine Suhle öffnete. Die schlammverkrusteten Erhebungen darin stellten sich als drei Nashörner und mehrere Warzenschweine heraus. Musa stellte den Motor ab. Braune Madenhacker liefen über die Rücken der Nashörner, pickten die Zecken aus ihren Hautfalten, glänzend weiße Kuhreiher hielten Ausschau nach Futter, einer tat es den Madenhackern gleich und suchte die Ohren eines Nashorns ab.
Nashörner in der Suhle geben ein eher statisches Bild ab. Sie dösen, sind kaum zu unterscheiden vom braunen Schlamm, blinzeln allenfalls, heben, wenn sie sehr energiegeladen sind, auch mal den Kopf. Rainer Krusen machte ein paar Fotos, und nach fünf Minuten fuhren sie weiter den Hügelhang hoch. Unter ihnen glänzten die Windungen des Flusses. Ein riesiges Krokodil sonnte sich im warmen Ufersand. Jill machte Nils darauf aufmerksam. »Es ist das gefährlichste Wesen Afrikas, wusstest du das? Wenn es dich gefressen hat, geben die Zulus ihm deinen Namen.« Sie lachte. »Ein Krokodil namens Nils.«
Er schaute sinnend hinunter. »Es ist ein Tier, das ist seine Natur. Das gefährlichste Wesen Afrikas ist ein Kind mit einer geladenen Kalaschnikow.«
»Das ist zynisch!«
»Ist es nicht, das ist Erfahrung.« Sein Ton war unendlich traurig. »Ihr lebt im Paradies hier, in den meisten Ländern Afrikas herrscht Anarchie, und Zentralafrika ertrinkt im Blut.« Er schwieg, hatte seine Hand auf ihren Nacken gelegt, der Daumen streichelte sie zärtlich.
»Gleich fang ich an zu schnurren«, flüsterte sie abgelenkt. Sie saßen auf den letzten zwei Plätzen, keiner konnte sie hören.
»Du hättest den Kerl gestern Morgen doch nicht wirklich erschossen.« Es war keine Frage, sondern eine Aussage, und sie hatte die gleiche Wirkung auf sie wie ein Eimer kaltes Wasser.
Sie setzte sich kerzengerade hin. »Was soll die Frage?«
»Gestern bist du mir ausgewichen, heute würde ich gern eine Antwort haben.«
Er würde nicht lockerlassen, darauf würde sie sich wohl einstellen müssen. Es lag in seiner Natur. Er war kein zahmer Hauskater, ordnete seine Emotionen der Wahrheit unter. Ob ihr das gefiel oder nicht, war ihr noch nicht klar. Auf jeden Fall war es unbequem. »Wonach sah es denn für dich aus? Nach einer gepflegten Konversation?« Etwas wie Trotz hielt sie zurück, zuzugeben, dass sie dem Kerl kein Haar gekrümmt hätte.
»Liebling, das wäre Mord.«
»Menschen werden ermordet, Ungeziefer wird vernichtet.« Das rutschte ihr heraus, bevor sie darüber nachgedacht hatte. Manchmal passierte ihr das. Jetzt hörte der Daumen in ihrem Nacken auf zu streicheln. Sie verkrampfte sich.
»Hoppla, das klingt sehr unzivilisiert. Hätte ich nicht von dir gedacht.« Er nahm seine Hand weg, ihre Haut an der Stelle wurde kühl.
»Ich bin Afrikanerin«, erwiderte sie, wollte damit sagen, so sind wir.
»Und er ist Ungeziefer, das man zertreten darf? Was hat er denn getan, dass du ihn so nennst?«
»Hast du mal etwas von Vuurplaas gehört? Nein? Dann frage Neil Robertson. Er wird dir auch sagen, warum Len Pienaar für mich Ungeziefer ist. Vermutlich wird er dir erklären, dass das die falsche Bezeichnung ist, denn seine Opfer nennen ihn die Verkörperung des Bösen.«
Minutenlang trennte sie ein Vorhang aus Schweigen. Dann zog er sein Notizbuch heraus. »Wie schreibt man Vuurplaas?« Sorgfältig notierte er sich den Namen, schrieb noch einige Zeilen dazu. Dann schob er das Buch in seine Hosentasche.
Sie wünschte nichts sehnlicher, als eine Hand wieder auf ihrem Nacken zu fühlen. Sie gab sich einen Ruck. »Im Übrigen war ich nicht ehrlich mit dir«, gestand sie, »natürlich hätte ich ihn nicht erschossen, nicht einmal einen klitzekleinen Schreckschuss hätte ich abgegeben, aber behalt das für dich, sonst ist mein Ruf hier völlig im Eimer.« Sie erzählte ihm, womit sie Ein-Arm-Len gedroht hatte. »Nun weißt du, welche Rolle ihr zwei in diesem Drama zu spielen habt.«
»Hier gibt es doch schließlich auch Gerichte, die zuständig sind.« Sein Arm schob sich wieder um sie, seine Hand lag warm und sicher an ihrem Hals.
Sie schüttelte den Kopf. »So etwas regelt man hier selbst. Oder meinst du, ich soll ihn auf Hausfriedensbruch verklagen? Ich kann ihn schon lachen hören. In den Gerichten im alten Südafrika hatte er vermutlich so viele Freunde sitzen, dass sie stattdessen mich verhaftet hätten, auch wenn ich ihn nicht mit dem Gewehr bedroht hätte, und im neuen Südafrika haben die meisten Angst vor ihm. Es
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