Ein Land, das Himmel heißt
dicke Zigarren zwischen den Zähnen und Bierdosen in der Hand. Pienaars Armstumpf war verbunden.
Einer der Wachtposten fragte sie, was sie wollte, aber sie brachte kein Wort heraus. Nicht einmal ihre Gesichtsmuskeln hatte sie unter Kontrolle. Ihr Mund stand offen, ihre Augen waren aufgerissen.
»Wir wollen Leon Bernitt sprechen«, sagte Nils neben ihr ruhig, packte sie am Arm. »Ganz ruhig, Liebling«, flüsterte er, »wir werden das klären. Lass dir nichts anmerken. Klapp deinen Mund zu, setz ein arrogantes Lächeln auf – so ist es gut«, lobte er, als sie ihre Gesichtszüge mühsam in die verlangte Form zwang.
»Oh, hallo, Jill«, rief Leon überschwänglich, als er die Zigarre schwenkend aufs Tor zukam, und grinste auf eine Art, die ihr durch und durch ging und sofort wieder Mordgelüste weckte. Aber die ruhige Hand auf ihrer Schulter hielt sie zurück. »Bist du gekommen, um meine Freilassung zu feiern?« Er musterte sie. »Nein, wohl nicht. Nun, das wäre auch zu viel erhofft gewesen, nicht wahr, Schwägerin? Du liebst mich nicht.« Er lachte mit weit offenem Mund, ein dröhnendes Höhöhö. Seine grauen Augen blieben jedoch wachsam.
Mistkerl, dachte sie siedend vor Wut, Schwein. Ihr hochmütiger Gesichtsausdruck verriet jedoch nichts. »Wie bist du denn rausgekommen? Hast du die Wachen gebissen, und die sind an deinem Gift verreckt?«
Das Lachen verstummte schlagartig. »Was willst du hier? Und was will der da?« Er deutete auf Nils.
»Erst mal will ich wissen, wie du und der da hinten«, sie wies mit dem Kinn auf Len Pienaar, »hierher kommt. Ich denk, ihr seid im Gefängnis?«
Leon stand breitbeinig vor ihr, den Kopf leicht zurückgelegt, den Arm in die Seite gestemmt, Zigarre im Mundwinkel. »Hältst du uns für blöd? Wegen der alten Kamellen haben wir schon Mitte letzten Jahres einen Antrag auf Amnestie gestellt, und der ist genehmigt worden. War ja klar. Der andere Scheiß reicht nicht aus, um uns festzuhalten. Also, was willst du von mir?« Mit herablassender Verachtung ließ er seinen Blick über ihren Körper wandern.
Sie ertrug es mit zusammengebissenen Zähnen, reichte ihm den Umschlag durch den Zaun. »Es sind natürlich Kopien. Die Originale liegen beim Anwalt.« Das stimmte zwar nicht, sie lagen zu Hause auf dem Schreibtisch, aber es hörte sich gut an.
Leon zog ein paar der Papiere hervor, überflog sie. »Was hier steht, interessiert mich nicht.« Und dann sprach er, wie Nils vorausgesagt hatte, über den angeblichen Mord durch Johann Steinach an Konstantin von Bernitt. »Wenn ich mit der Wahrheitskommission durch bin, kümmere ich mich um dich, meine Liebe. Genieß die Zeit bis dahin.« Er schwang auf dem Hacken herum. »Van Vuuren«, brüllte er, und einer der Männer, die am Tor gewacht hatten, kam im Eilschritt angerannt. Leon gab ihm mit einem Befehl den Umschlag, und der Mann brachte ihn ins Haus.
»Leon«, rief sie hinter ihm her, »ich hab noch eine Neuigkeit, die außerordentlich wichtig ist für dich.«
»Was hast du vor?«, flüsterte Nils.
»Rache.« Sie schüttelte seine warnende Hand ab.
Leon blieb stehen, drehte sich um. »Ja? Und die wäre?«
»Es ist besser für dich, wenn du herkommst, damit nicht alle mit anhören, was ich dir sagen werde.« Sie starrte ihm in die Augen, bis ihre tränten, wich seinem Blick nicht aus, bis er mit den Schultern zuckte und wieder zum Tor kam.
Er nahm die Zigarre aus dem Mund, paffte eine Rauchwolke weg. »Nun? Was ist? Mach zu, ich hab noch andere Sachen zu tun.«
»Was ich zu sagen habe, ist schnell gesagt. Erinnerst du den Dezemberabend vor neunundzwanzig Jahren nach der Weihnachtsfeier der Farmervereinigung?« Sein Gesicht zeigte keine Regung. »Du, mein Vater und zwei andere trafen ein Zulumädchen namens Thuleleni. Sie war sehr schön, und ihr wart betrunken und seid über sie hergefallen. Klingelt es jetzt?«
Seine Miene versteinerte, die Asche auf seiner Zigarre wuchs.
»Aber nur einer von euch hat sie vergewaltigt. Du. Thuleleni wurde schwanger und bekam Zwillinge. Sie nannte sie Thando und Thandile Kunene. Es sind deine Kinder. Der Rattenfänger ist dein Sohn.« Voller Genugtuung sah sie die Wirkung ihrer Worte.
Leon erstarrte völlig, langsam verließ alles Blut sein Gesicht, seine Farbe wechselte von gesunder Sonnenbräune zu fahlem Gelb. Die Falten, die von seiner Nase zum Mund liefen, vertieften sich zu Schnitten. Seine Kinnbacken kauten und arbeiteten, als sei der Brocken, den er zu schlucken hatte, zu groß.
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