Ein Land, das Himmel heißt
Die Asche seiner Zigarre fiel unbeachtet auf die Erde.
»Wenn du zweifelst, lass einen Bluttest machen.« Damit drehte sie sich um, zog Nils mit und sprang ins Auto, startete den Motor, wendete und fuhr los. Hinter der nächsten Kurve, vollkommen außer Sichtweite von Leon und seinen Leuten, hielt sie an und drehte sich Nils zu. »Das sollte dem Schwein zu denken geben. Leon von Bernitt, der nur von Kaffern redet und sie am liebsten alle umbringen würde, hat Kinder mit einer Zulu. Mal sehen, was seine Freunde in ihren komischen Uniformen dazu sagen werden.« Sie kicherte nervös. Ihr schlug das Herz immer noch bis zum Hals. »Was haben die vor, kannst du es mir sagen?«
Nils erschien sehr nachdenklich. Er rieb sich die Nase. »Irgendein niederträchtiges Komplott, und was, das werde ich rauskriegen. Nur eines ist sicher, als Freizeitpark will er Inqaba nicht, eher als Trainingslager. Kannst du beim Buchladen in Mtubatuba vorbeifahren? Ich hatte dort ein Buch bestellt. Das brauche ich.« Er versank wieder tief in Gedanken. Das Buch stellte sich als eine Dokumentation über die Gräueltaten der Polizei unter dem Apartheidregime heraus. Kaum saß er wieder neben ihr im Auto, schlug er es auf, ließ seinen Zeigefinger über die Einträge laufen. Plötzlich hielt er inne. »Wusst ich’s doch«, murmelte er, »da ist er ja.«
»Wer ist wo?« Sie konnte ihre Neugier einfach nicht zurückhalten.
»Len Pienaar, sein Werdegang, seine Taten, sein Leben, und ganz besonders wichtig, seine Kontakte. Die werde ich jetzt einmal eingehend studieren. Vielleicht kann ich mir einen Reim darauf machen. Danach werde ich Neil Robertson anrufen.«
Zu Hause erwartete sie eine Überraschung. Als sie auf den Hof fuhren, stand Irma in der Tür. Mit einem Aufschrei sprang Jill aus dem Wagen, warf sich ihr an den Hals. »Du bist wieder da, danke, es ist so schön, ich habe dich so vermisst«, stammelte sie schluchzend, mochte die ältere Frau nicht wieder loslassen, merkte kaum, dass Nils allein ins Haus ging
Irma hielt sie fest, streichelte ihr übers Haar, murmelte Koseworte. »Ich brauche dich und Inqaba«, sagte sie einfach. Es dauerte Minuten, ehe sich Jill beruhigt hatte. »Ich benötige viel mehr Hintergrundmaterial über Catherine und ihre Zeit«, erklärte Irma, »und das finde ich nur in Durban. Ich werde im Spatzennest in Umhlanga Rocks wohnen, da bin ich in der Nähe der Bibliotheken. An den Wochenenden würde ich aber gern hier bleiben. Da ist es mir in Umhlanga zu heiß, zu feucht und zu voll.«
Jill lachte, noch zittrig. Ihre Tante betrachtete jeden Touristen in Umhlanga als Eindringling, der ihr gewaltig auf die Nerven ging. »Lässt du dein Haus in Kapstadt eigentlich einfach leer stehen?«
»Um Himmels willen, wo denkst du hin? Dann hab ich im Handumdrehen illegale Siedler auf dem Grundstück. Eigentlich sollte ich es loswerden. Die verrückten Deutschen kaufen in Kapstadt sämtliche Häuser und Appartements auf, die eine einigermaßen angemessene Lage haben, und zu Preisen, da machst du dir keine Vorstellung. Kommt vermutlich daher, dass unser Rand von einem Schwächeanfall zum anderen taumelt.«
»Neuerdings kaufen die auch die Wildfarmen auf, und nicht nur die Deutschen. Aber ich weiß nicht, ob wir Südafrikaner klug daran tun, das zuzulassen, oder ob das nicht ein Fehler ist. Diese Ausländer wissen nichts von Afrika, urteilen nach Kriterien, die ihren Ursprung in europäischen Erfahrungen haben. Sie kennen unsere Kultur nicht, ich befürchte, dass sie auf ihrer Suche nach dem, was sie in Europa nicht finden, in Afrika viel kaputtmachen.«
»Die Kolonisation des Geldes«, bemerkte Irma achselzuckend, »sie führen nur das fort, was wir seit Jahrhunderten verbrochen haben.«
Jill zog die Brauen hoch. »Fehler mit Fehlern zu rechtfertigen ist kaum der richtige Weg.«
»Ach, Jilly, ich denke, wir müssen das unserer jetzigen Regierung überlassen. Sie sind da qualifizierter als wir, ihre ehemaligen Unterdrücker.« Ihr Lächeln war milde, aber sprach Bände.
Natürlich hatte Irma Recht. »Entschuldige, ich wollte nicht überheblich klingen. Komm, ich habe auch eine Neuigkeit.« Das, was sie bei Leon gesehen hatte, verschwieg Jill vorläufig. Irma würde sie es erzählen, wenn sie wusste, was es zu bedeuten hatte. Auch die Begegnung mit den Kunene-Zwillingen behielt sie für sich. Warum sollte sie Irma unnütz belasten? In der Eingangshalle wies sie auf Jonas. »Darf ich dir unseren Empfangschef
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