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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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vorstellen?«
    Irma begrüßte Jonas erfreut, machte ihm ein paar Komplimente über sein Aussehen, erkundigte sich nach der Familie. Wie es sich gehörte. Jill trug Irmas Koffer in ihr Zimmer und setzte ihn auf dem Bett ab. »Was willst du eigentlich recherchieren oder, besser gesagt, wozu?«
    Irma schloss ihren Koffer auf und zog ein paar Kleidungsstücke hervor. »Genau weiß ich das noch nicht«, war die Antwort, »aber man kann nie wissen.«
    »Heißt das, frag nicht weiter, ich will nicht darüber reden?«
    »Genau, liebe Nichte, das heißt es. So, und nun verschwinde, ich muss auspacken und mich ein wenig hinlegen. Ich bin todmüde von der Fahrt, außerdem bin ich mitten in der Nacht aufgestanden.« Damit schob sie Jill hinaus. »Weck mich in zwei Stunden mit einem Kaffee«, rief sie, ehe sie die Tür verschloss.
    Sie traf Nils in der Eingangshalle. »Meine Tante ist zurück, ist das nicht wunderbar? Sie will noch ein wenig in Natals Geschichte herumgraben. Catherines Aufzeichnungen lassen ihr keine Ruhe.«
    »Interessante Frau«, murmelte er, »ich werde mich mal länger mit ihr unterhalten.« Dann hob er demonstrativ das Buch, das er gekauft hatte. »Das muss ich durcharbeiten. Ich bin drüben im Bungalow. Essen wir nachher zusammen?«
    *
    Freitags war Bettenwechsel. Fast alle Gäste reisten am Wochenende an oder ab, und Jonas hatte alle Hände voll zu tun. Ihr verschaffte er ungewohnte Zeit, und sie tat etwas, was sie sehr lange nicht mehr getan hatte. Sie nahm sich einen ganzen Tag frei, gönnte sich endlich den Friseurbesuch und stöberte über eine Stunde in der Bibliothek von Umhlanga Rocks, schleppte vergnügt einen Stapel von acht Büchern ins Auto. Eins wählte sie aus und spazierte in bester Laune zum Oyster Box Hotel. Nach einem Schwätzchen mit Anil, dem indischen Oberkellner, setzte sie sich auf die Terrasse, die vor dem Leuchtturm hoch über dem Meer lag, und bestellte sich Tee mit Scones, Marmelade und viel Sahne. Der Roman, den sie ausgewählt hatte, spielte in den kanadischen Wäldern. Der Held legte sich mit Grizzlybären an oder kämpfte sich durch endlose Schneestürme. Ein wunderbares Buch. Nicht für eine Sekunde erinnerte es an ihre eigenen Probleme.
    Danach fuhr sie zu Lina. Ihre Freundin hatte sich in letzter Zeit verändert, redete meist über Sachen, die sie gekauft hatte oder zu kaufen beabsichtigte, warf mit Namen wie Gucci oder Versace herum und ließ ihre goldenen Kreditkarten blitzen. Aber sie bringt mich zum Lachen, dachte Jill, und das ist unbezahlbar. Auf ihr Klingeln rollte das Tor zurück. Lina wartete vor dem Haus. Jill fuhr aufs Grundstück und stieg aus dem Auto. Konsterniert starrte sie ihre Freundin an. Ihr glänzendes dunkelbraunes Haar war verschwunden, weißblond gefärbte Stoppelhaare standen um ihr Gesicht. Zu ihren italienisch dunklen Augen war das ein überraschender Kontrast. »Was ist denn in dich gefahren?«
    Lina grinste, die italienischen Augen glitzerten. »Ich hab eine Midlife-Crisis. Da wirkt ein Wechsel der Haarfarbe meist Wunder.«
    Jill bog sich vor Lachen. »Und, hat es geholfen?«
    Lina fuhr sich über die Stoppeln. »Nein, ich bin immer noch fünfunddreißig«, sagte sie und zog ein verdrießliches Gesicht.
    »Was sagt Marius dazu?«, fragte Jill und wischte sich die Lachtränen ab. Marius war eher konservativ und stand äußerlichen Wandlungen Linas immer sehr skeptisch gegenüber.
    »Ich habe ihn vom Flughafen abgeholt. Er kam von einem Kongress aus Übersee. Als Erstes lief er an mir vorbei, und als ich ihn dann einfing, kriegte er seinen Mund nicht zu und kein Wort heraus. Im Auto sah er mich von der Seite an, als hätte er Angst, dass ich eine Außerirdische bin, aber alles, was er sagte, war: ›Ich hoffe, du siehst nur aus wie eine Blondine und denkst nicht wie eine.‹ Danach tat er so, als wäre nichts.« Der Hochglanzlack schmolz unter ihrer Lachsalve dahin, darunter kam die alte Lina zum Vorschein, und Jill verbrachte zwei muntere Stunden bei ihr. Sie verabredeten sich für die kommende Woche zum Dinner. »Bring deinen Reporter mit«, befahl ihre Freundin und zwinkerte anzüglich.
    Sie versprach es. Wenn er dann noch da ist, setzte sie in Gedanken hinzu. Auf dem Weg nach Hause schaute sie noch bei Angelica im Krankenhaus vorbei. Es ging ihr besser. Die Schläuche, die vorher überall aus ihr heraushingen, waren entfernt worden, und sie lag auf der normalen Station. Als sie eintrat, stand Alastair auf, der am Bett seiner Frau gesessen

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