Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
wenigen Jahren würde Umhlanga Ridge das geschäftliche Zentrum der gesamten Umgebung sein. Über dem Horizont ballten sich weißgraue Regenwolken, normal für diese Jahreszeit. Im Februar gibt es häufig stürmische Schauer, meist kurze, und hinterher ist es so heiß wie vorher. »Warum lasst ihr euren Anspruch fallen?«, fragte sie, ohne sich umzudrehen.
    Es war Popi, der antwortete. »Ich kenne dich, du gibst nicht auf. Du würdest alle Mittel einsetzen, um uns Schwierigkeiten zu machen, rechtliche und was dir sonst noch einfällt. Keiner von uns würde überleben.«
    Überleben. Sie lauschte dem Nachklang des letzten Wortes, überlegte, was er mit »sonst noch« meinte, überlegte, ob er Recht hatte. Was würde sie einsetzen, um Inqaba zu retten? Wie weit würde sie gehen? Plötzlich sah sie sich, allein, verschanzt hinter meterhohen Zäunen, durch die so starker elektrischer Strom floss, dass eine Berührung einen Mann umhauen würde. Nie wäre sie ohne Angst, würde jede Nacht ins Dunkel horchen, darauf, ob die Geräusche normal waren. Bei jedem Bellen der Hunde würde sie zusammenzucken, sich vergewissern, dass ihre Pistole griffbereit lag. Die Zäune, die als Schutz gedacht waren, würden ihr Gefängnis werden. Gefängnis auf Lebenszeit und sie als einzige Insassin. Sie erschauerte, spürte schon die Dunkelheit und Kälte, in der sie leben müsste.
    Als hätte sie ihre Gedanken gehört, rührte sich Thandi, und Jill drehte sich zu ihr um. Ein listiges Lächeln saß in ihren Mundwinkeln. »Bevor du antwortest, Jill, bedenke, du wirst die Zäune einreißen können und die Tore entfernen, kein Gitter würde deinen Blick begrenzen.« Ein Blick schräg unter den gebogenen Wimpern hervor, die wunderbarerweise unversehrt waren. Das war Thandile, die Zulu. Yasmin Kun hatte endgültig aufgehört zu existieren.
    Ihr Herz machte einen Sprung, das Blut rauschte durch ihre Adern, sang in ihren Ohren. Die Zäune wegnehmen. Nie wieder das Rumpeln der automatischen Tore hören, kein elektrisch geladener Draht, kein Gitter, das ihren Himmel zerschnitt. Der Weg zurück ins Paradies? Jill schaute wieder hinaus. Ein Schwarm weißer Ibisse zog in gemächlichem Flug vorbei. Sie sah ihnen nach, bis sie sich in der blauen Ferne verloren und ihre Augen tränten. Das Land, das im weichen Licht der Nachmittagssonne vor ihr lag, schien so friedlich, das Bild in ihrem Kopf surrealistisch. Sosehr sie sich bemühte, brachte sie es nicht fertig, diese Welten zu verbinden. Nur über eins war sie sich absolut sicher. Inqaba war ihr Geburtsort. Nie würde sie ihn aufgeben, aber ebensowenig konnte sie zulassen, dass ihr Kampf um Inqaba in Zerstörung endete, von Inqaba und ihrem Leben. Der ursprüngliche Anspruch Popis und seiner Leute hätte ihr mindestens die Hälfte der Farm genommen. Thandi hatte Recht, das, was sie jetzt forderte, konnte Inqaba verkraften. Der Preis wäre hoch, aber ihr Lohn wären ruhige Nächte und eine Zukunft, ein freier Blick zum Horizont. Doch es gab noch etwas, für das Popi ihr eine Antwort schuldig war, etwas, was sie wissen musste, bevor sie sich entschied. Sie drehte sich wieder den beiden Zulus zu, sah Popi an.
    »Erinnerst du dich an die kleine Katze, die du getötet hast, Popi? Nein? Ich höre ihr jämmerliches Geschrei, während du sie erwürgt hast, bis heute, und deinen Augenausdruck dabei werde ich nie vergessen. Deswegen traue ich dir nicht.«
    Die Miene des verletzten Zulus veränderte sich kaum. Ein Mensch mit weißer Haut wäre vielleicht rot geworden, Popis schwarzbraune Haut verbarg das. Doch sein Entsetzen, als sähe er etwas, das sie nicht sehen konnte, war deutlich. Thandi runzelte ihre Brauen, streifte ihren Zwillingsbruder mit einem schnellen Blick, den Jill aber nicht interpretieren konnte. Lange war es still im Zimmer, hörte man nur Atmen, gelegentlich das Geräusch eines Autos, das Klappern von OP -Clogs auf dem Gang, Stimmen.
    Dann holte Popi tief Luft, schloss die Augen und begann zu sprechen. Seine Stimme war wie das Rascheln von dürrem Gras. »Als ich neun oder zehn Jahre alt war, fiel ich in die Hände eines alten schwarzen Hexers, dessen Namen ich nicht aussprechen konnte, weil er mir die Zunge versengte. Er war böse wie der Satan selbst«, sagte er fast unhörbar, in seinen Worten schwang das Echo des kleinen Jungen, der ganz allein war mit seinem schrecklichen Geheimnis. »Der Alte fühlte, dass seine Zauberkräfte schwanden. Es verlangte ihn danach, eine Katze zu verspeisen, denn

Weitere Kostenlose Bücher