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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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dieses Tier hat magische Kräfte, und zubereitet auf eine besondere Art, würden diese Kräfte auf ihn übergehen. Er war zu alt, er konnte nicht aus den Bergen herunterkommen, um eine unserer Katzen zu stehlen.«
    Popis Augen waren noch immer fest zugekniffen, seine unbandagierte Hand wanderte ruhelos über die Bettdecke. »Er … belegte mich mit dem Fluch. Mein Kopf würde zerspringen, sollte ich ihm nicht helfen«, flüsterte er. »Erst weigerte ich mich, aber dann konnte ich nicht anders. Mein Kopf zersprang. Ich musste die Katze töten, um den Bann zu brechen … Der Hexenmeister lachte, als ich ihm die Katze brachte. Dieses schreckliche Lachen höre ich immer wieder, und die Augen von Ikati, der Katze, sehe ich bis heute. Das ist der Fluch, der mein Leben begleitet …« Sein Atem rasselte. »Ich war nicht bei mir, als ich das tat, ich hatte meinen Körper verlassen, der Hexenmeister war in mich gefahren … Ich war das nicht …« Als er endlich seine Augen öffnete, waren sie trübe und undurchsichtig.
    Jill starrte ihn an. Er hatte Recht. Das hatte sie vergessen. Kein Zulu würde seine Katze töten. Katzen waren die verwöhnten Haustiere der Zulus, die sie hielten, um Mäuse, Ratten und besonders Schlangen aus ihren Hütten fern zu halten, aber ihr größter Wert lag in ihren magischen Kräften. Die Zulus glauben, dass Katzen sie vor dem Tokoloshe und den bösen, intelligenten Mantindane, die das Fleisch von lebenden Menschen essen, schützen. Sie glaubte Popi aufs Wort, dass er es nicht gewesen war, der die Katze erwürgt hatte. Sie hatte ihre Antwort bekommen. Nun war der Weg frei. Ja!
    »Ich will, dass wir ein Indaba abhalten«, sagte sie, »zusammenkommen und verhandeln, wir alle, Ben Dlamini und die anderen ebenfalls. Ich will, dass jeder seinen Standpunkt darlegen kann und wir die Möglichkeiten besprechen. Ich will, dass wir es richtig machen.« Wir! Nicht die und ich.
    Die Gefängnismauern würden fallen. Das Licht brannte hell. Sie musste es erreichen. Sie rannte mit aller Kraft darauf zu.
    Schweigend blickten sich die beiden an. Thandi lächelte, Popi auch. »Ein richtiges Zulu-Indaba, he?« Popi lachte ein tiefes, glucksendes Lachen. »Das ist gut.« Er gluckste wieder, zuckte aber zusammen, hielt sich seine bandagierte Seite. »Oh, das ist gut«, flüsterte er.
    Jill fuhr danach nicht gleich nach Hause, sondern ins Zentrum von Umhlanga Rocks, parkte unter der zerfledderten Bananenstaude neben dem Bevery Hills Hotel und lief den abschüssigen Weg hinunter zum Meer. Ihre Gefühle überschlugen sich. Alle Probleme waren gelöst, sie hatte Inqaba gerettet. Warum jubelte sie nicht? Warum schrie sie ihr Glück nicht heraus? Eine unerklärliche innere Unruhe hatte sie ergriffen. Sie schob es auf die letzten Tage, die so bedrückend gewesen waren. Sie hatte im Dunkeln gestanden, während die anderen im Sonnenschein lebten. Trat nicht auch sie jetzt wieder ins Licht?
    Es war Ebbe, das Meer hatte sich zurückgezogen, die Felsbarriere lag frei. Ablandiger Wind glättete die Wogen, die Brandung war ungewöhnlich leise. Sie zog die Schuhe aus, krempelte ihre Hosenbeine bis übers Knie hoch und watete durch die flachen Teiche, sprang von Stein zu Stein, bis sie weit draußen allein auf einem flachen, wasserumschäumten Felsen stand. Sie hob ihr Gesicht in den Wind, schloss die Augen, erwartete, dass die Spannung aus ihr herausfließen und sie hier zur Ruhe kommen würde. Trotz aller Versuche, einfach nur mit allen Sinnen die grandiose Schönheit ihrer Umgebung aufzunehmen, nichts zu denken, nur zu hören und zu fühlen, gelang es ihr nicht. Die Dunkelheit blieb, die Unruhe auch.
    Bedrückt verließ sie den Felsen, glitt ins knietiefe Wasser und watete langsam zurück auf den Strand. Auch ein schneller, schweißtreibender Spaziergang bis zu dem Punkt, wo die letzten Gebäude des Ortes an die Wildnis des Hawaan-Buschs grenzten, half nichts. Sosehr sie sich bemühte, dieses Gefühl von Druck, Unruhe und Dringlichkeit zu analysieren, das sie in zunehmendem Maß erfüllte. Sie scheiterte daran, dieses Gefühl einem Ereignis zuzuordnen. Am Hawaan-Busch angekommen, gab sie auf und joggte die zwei Kilometer über die Strandpromenade von Umhlanga Rocks zurück zu ihrem Auto. Auch auf dem Heimweg fand sie keine Erklärung. Bevor sie aber nach Hause fuhr, musste sie Lorraine – die immerhin ihre Schwägerin, obwohl ihr Verhältnis bis auf den Gefrierpunkt abgekühlt war – ihr Beileid aussprechen.
    Lorraine war

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