Ein Leben voller Liebe
dem Anruf am Vorabend hatte er nicht an ihren Dienstplan gedacht. Er hatte nur einen Vorwand gesucht, um sich danach zu erkundigen, wie es ihr ging.
»Was sagt Ihre Versicherung zu dem Wasserschaden?«
»Ich habe meinem Agenten einen Schlüssel gegeben, damit Handwerker das Wasser abpumpen können«, erklärte sie und hörte sich nicht mehr so müde an wie am Telefon. Sie legte die Hand unter sein Knie und hob es vorsichtig an. »Der Sachverständige kommt am Montagvormittag, aber dann werde ich operieren.« Sie ließ das Knie wieder los. »Tat das weh?«
»Nicht sonderlich. Ist das Wasser in den Wänden hochgestiegen?«
»Auch in den Vorhängen und an den Möbeln.«
»Die kann man leicht reinigen oder ersetzen. Sorgen müssen Sie sich wegen der baulichen Schäden machen.
Wie hoch reichen die Wasserspuren?«
»Weiß ich nicht genau, vielleicht dreißig bis fünfzig Zentimeter. Ich erinnere mich nur, dass ich unten an den Wänden der Küche und des Wohnzimmers dunkle Ränder sah.«
Chase beugte sich vor, damit sie das Nachthemd von der verletzten Schulter schieben konnte. Ihre Hände berührten ihn sanft, auch wenn sie sich ganz professionell gab.
»Was für Fußböden haben Sie?« erkundigte er sich und achtete nicht darauf, wie sein Körper reagierte. »Hoffentlich nicht Holz.«
»Nur in der Diele und in der Küche, aber das sah gut aus.
Der Rest ist Teppichboden.«
»Vermutlich mit Holz darunter. Ich besitze in San Francisco ein Hotel, in dem es auch einmal einen beträchtlichen Wasserschaden gab. Manchmal bereiten die verborgenen Schäden die größten Schwierigkeiten.«
Sie warf ihm einen Blick zu. »So genau will ich das gar nicht wissen. Heben Sie den Arm an. Ich möchte sehen, wie beweglich er schon ist. Und hören Sie sofort auf, wenn es weh tut.«
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, um die Funktion der Muskeln zu überprüfen. Wenn Mike, der Physiotherapeut, das tat, fühlte Chase Schmerz und die Verkrampfung der Muskulatur. Bei Alex spürte er nur die Wärme ihrer Hand und tiefe Entspannung, als könnte sie ihn durch Handauflegen heilen. Doch das hatte nichts mit mystischen Hintergründen zu tun, auch nicht damit, dass sie Ärztin und Heilen ihr Beruf war. Es lag einfach an ihr.
»Gut«, stellte sie fest und schob das Nachthemd wieder hoch.
»Mike meinte auch, dass Sie gut vorankommen. Heute können Sie es mit Krücken versuchen.«
»Das hatte ich ohnedies vor.«
Alex hatte angeordnet, dass die Infusionspumpe abgestellt wurde. Sie warf noch einen Blick in ihre Unterlagen, um sich zu vergewissern, dass sie nichts vergessen hatte.
Chase störte nicht die körperliche Anziehung, die von ihr ausging. Sex war schließlich nicht kompliziert. Ihn beunruhigte, dass er ständig genau wusste, was in ihr vor sich ging. Im Moment wirkte sie nachdenklich und besorgt, doch dann straffte sie sich wieder.
»Geben Sie mir die Nummer Ihres Versicherungsagenten«, schlug er vor. »Ich kann mich an Ihrer Stelle mit ihm und dem Sachverständigen auseinander setzen.«
Das Angebot überraschte sie, doch es handelte sich um ihr Problem. »Vielen Dank, aber diese Sintflut ist meine Schuld. Ich kümmere mich darum. Außerdem haben Sie schon genug getan, indem Sie uns in Ihrem Haus wohnen lassen.«
»Wieso glauben Sie, dass es Ihre Schuld ist?«
»Ich habe nicht rechtzeitig einen Klempner kommen lassen.«
»Weil Sie keine Zeit hatten«, fügte er hinzu.
»Weil ich mir keine Zeit nahm«, verbesserte sie ihn.
»Warum wollen Sie sich überhaupt mit dieser Geschichte abgeben?«
»Weil das einen Sinn ergibt. Sie haben keine Zeit, ich schon.«
Es war schwer, ihm zu widersprechen, wenn er dermaßen vernünftige Argumente anbrachte und letztlich Recht hatte.
»Dieses Angebot würden Sie bei Ryan oder Tanner nicht ablehnen, oder?« fragte er und trieb sie damit in die Enge. »Ich bin nicht der einzige Mensch, der Schwierigkeiten hat, Hilfe anzunehmen. Sie mögen das auch nicht.«
»Manchmal ist es eben leichter, sich nicht zu sehr auf andere Menschen zu verlassen«, wehrte sie ab.
»Damit habe ich ein Problem«, bestätigte er. »Aber wieso ist das bei Ihnen ebenfalls so?«
Alex fühlte sich von seinem forschenden Blick unbeschreiblich angezogen.
»Hat es etwas mit dem Vater Ihres Sohns zu tun?«
Sie erschrak, weil er alles durchschaute. »Was wissen Sie über Matt?«
»Gar nichts, außer dass Sie ihn nicht geheiratet haben.«
»Es war genau umgekehrt. Er hat mich nicht geheiratet.«
»Wieso nicht?«
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