Ein letzter Brief von dir (German Edition)
bahnten. Ein großzügig mit Tattoos überzogener Barkeeper mit einem Bierbauch, der seine Liebe zu den eigenen Produkten unter Beweis stellte, sah ihnen grinsend entgegen.
«Ich glaube, ein sauberes Glas kostet extra.» Orla studierte den Schmutzfilm um ihren Wodka Tonic herum. Sie hatten einen Ecktisch gefunden, der so weit wie möglich von dem Fußballspiel auf dem riesigen Fernseher entfernt war. «Aber egal. Prost!» Sie lächelte Juno verschwörerisch zu und senkte ihr Glas.
«Was ist?» Juno sah schuldbewusst aus.
«Okay.» Orla stellte das Glas ab. «Was ist hier los? Du machst ein Gesicht wie damals, als du dir, ohne zu fragen, meine neuen Stiefel ausgeliehen und dann draufgekotzt hast.»
«Ich wünschte, es wäre etwas so Harmloses.» Juno stürzte ihren Drink in einem Zug hinunter und zog eine Grimasse. «Du musst etwas erfahren. Über mich. Ich bin den ganzen Weg hierhergekommen, um es dir zu sagen, also bitte, bitte, verurteil mich nicht.»
«Wenn du versuchst, mir Angst zu machen, gelingt dir das vorzüglich.» Orla sprach in trügerisch leichtem Tonfall. Nachdem sie gerade vor einer entsetzlichen Eskapade gerettet worden war, hatte sie wirklich kein Recht, über irgendwen zu urteilen. «Jetzt spuck’s aus, verdammt.»
«Ich habe mich verliebt.» Junos Katzenaugen wurden nass, und ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln, das zu süßlich wirkte. «Ich habe mich verliebt, Orla, das musst du wissen, und du musst es absegnen, und du musst ihn genauso lieben, wie ich es tue.»
«Was?», sagte Orla laut und scharf. Waren sie durch die Zeit gereist zu einer Epoche vor Larry, vor Jack, in der eine solche Mitteilung eine gute Nachricht sein konnte?
«Und er ist hier.» Juno nickte jemandem in Orlas Rücken zu. Orla fuhr herum und erblickte in der gegenüberliegenden Ecke einen großen Mann, von dessen Kopf silbrig weiße Haare abstanden wie bei einer Pusteblume. «Rob?» Orla verzog angesichts eines weiteren Eingeborenen von Tobercree in dieser gottverlassenen Trinkhalle das Gesicht.
«Ja, Rob. Mein Rob.» Juno strahlte ihm entgegen, als er sich seinen Weg durch die schwankende, übelriechende Menge bahnte.
«Hi.» Orla streckte ihm die Hand entgegen. «Wie geht’s?»
«Bei mir alles gut.» Rob sah ordentlich und sauber und modisch aus vor dieser saloonartigen Kulisse und blickte von einer Frau zur anderen. «Darf ich mich zu euch setzen?»
«Bitte, setz dich.» Orla sah zu, wie er seinen Hocker näher zu Juno rückte, als sei sie ein Magnet und er ein Stück Eisen. Dabei erforschte er ihr Gesicht, als müsse er es sich für immer einprägen.
Rob hatte auch Fionnuala so angesehen, erinnerte sich Orla, bei ihrer Hochzeit. Orla war Brautjungfer gewesen, und Juno, als Schwester der Braut, Trauzeugin. Es gab Kummerbunde zu sehen und Gipskräuter und Fionnualas furchtbare, furchtbare Krinoline. «Das ist eine ziemliche Überraschung.»
«Eine typische Orla-Untertreibung.» Juno erwiderte Robs Blick nicht, sie beobachtete Orla. «Es war nicht geplant. Wir wissen, wie es wahrscheinlich aussieht. Es hat uns beide getroffen wie ein Blitzschlag.»
«Im selben Moment», fügte Rob ergänzend hinzu. «Paff!»
«Paff!», wiederholte Juno zärtlich.
Diese schmachtende Juno war beunruhigend. «Wie lange …?» Orla deutete vom einen zum anderen, unsicher, wie sie die Affäre der beiden bezeichnen sollte.
«Fünf Monate. Seit …», Juno wandte sich zu Rob, nahm seine Hand und lächelte, «dem zwölften Juli um Viertel nach fünf.» Sie kicherten wie schelmische Schulkinder.
Das fiel ungefähr in die Zeit, in der Larry befördert worden war. Orla erinnerte sich an Junos Klagen, sie sei nun gänzlich sich selbst überlassen, ohne Ehemann oder bester Freundin als Beistand.
«Wir sind uns in der Stadt in die Arme gelaufen, vor Bewlay’s Café.» Junos Worte überschlugen sich. «Rob war …»
«… nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause.»
«Ich hatte meine Zähne neu überkronen lassen.» Sie tippte auf ihre Vorderzähne. «Gefallen sie dir?»
«Großartig.» Ihre alten Zähne mit der kleinen Lücke waren süß gewesen.
«Wir haben uns ein bisschen unterhalten, und Rob sagte …»
«Wollen wir einen Kaffee trinken?»
«Also sind wir zu Bewlay’s …»
«… und unsere Leben haben sich geändert», sagte Rob, den Blick unverwandt auf Juno gerichtet.
Obwohl sie sich sehr als drittes Rad am Wagen fühlte, prostete Orla ihnen zu und senkte ihr Glas dann wieder. Wie gratulierte man zum
Weitere Kostenlose Bücher