Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
Vom Netzwerk:
Baguette mit den Resten von gestern machte. «Gan hat wieder ständig den Unterricht gestört, aber ich bin mit ihm fertiggeworden.» Orla entdeckte grünschimmelige Punkte in ihrem Mayonnaiseglas und warf es in den Mülleimer. «Wir hatten solche Angst davor, diesen Summer-School-Job anzunehmen, was? Erinnerst du dich noch daran, wie ich gesagt habe, ich könnte keine Erwachsenen unterrichten? Na ja», sie hielt inne, und das Messer schwebte in der Luft, «ich
sage
Erwachsene, aber eigentlich sind es doch bloß Teenager, und das sind, wenn du mich fragst, eigentlich immer noch Kinder. Sie benehmen sich jedenfalls kaum anders als die Zweitklässler Zu Hause. Größer sind sie, das schon, aber im Grunde haben sie dieselben Probleme und Ausreden und Macken.»
    Sie schlug die winzige Tür des Kühlschranks zu und murmelte: «Erinnere mich daran, dass ich die Dichtung reparieren lasse.» Dann ließ sie sich mit einem dankbaren Seufzer auf das Sofa fallen, um sich von der verschwitzten U-Bahn-Fahrt nach Hause zu erholen. Orla hatte sich zunächst gegen die U-Bahn gesträubt. Es war ihr unbegreiflich gewesen, dass jemand freiwillig auf einem überfüllten, stinkenden Bahnsteig stehen konnte, um auf einen Zug zu warten, der wie ein Drache fauchte. Inzwischen bemerkte sie den Geruch oder den Lärm ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie gegen fünf Menschen gepresst wurde, die man ihr noch nicht einmal vorher vorgestellt hatte. Die U-Bahn war ganz einfach der schnellste Weg, um von der umgewidmeten Viktorianischen Grundschule in Hammersmith nach Hause zu kommen. Sie brachte dort Erwachsenen aus Übersee bei, Englisch wie Muttersprachler zu sprechen – in einigen Fällen sogar besser als Muttersprachler.
    Orla hatte sich von Maude so lange bearbeiten lassen, bis sie den Job annahm.
    «Ich glaube dir langsam nicht mehr, wenn du behauptest, dass du nur noch einen Tag bleibst», hatte Maude gesagt und Orla die Anzeige überreicht. «Deine Schüler wären Einwanderer so wie du. Ihr hättet eine Menge Gemeinsamkeiten.»
    Orla hatte versucht, sich herauszureden.
    Maude hatte die Miete erwähnt.
    Orla hatte nachgegeben.
    Es stellte sich heraus, dass es wirklich befriedigend war, privilegierten Teenagern aus China, Russland und Europa zu helfen, die Sprachbarriere zu überwinden, aber Orla war letztlich immer noch fremd in der Stadt und konnte sich nur schwer an die Zufriedenheit gewöhnen, die ein erfüllter Alltag mit sich brachte.
    Aber sie hatte Fortschritte gemacht. Sie konnte wieder fühlen. Sie konnte über Witze lachen. Sie entdeckte die Freude an den kleinen Dingen wieder – an der Weichheit eines neuen Handtuchs, am grünen Duft gehackten Schnittlauchs. Maude bemerkte jede noch so unbedeutende Verbesserung und feierte sie als «weiteren Schritt auf dem Weg zur Genesung». Orla konnte dieses Ziel noch lange nicht erkennen. Nur die Valentinskarte verstand sie wirklich.
    «Es ist wie eine verrückte Versammlung der Vereinten Nationen in meinem Klassenzimmer.» Orla drehte sich um, um den rosafarbenen Umschlag direkt anzusehen. «Dieser italienische Typ gibt alles, um mit mir zu flirten. Du würdest dich kaputtlachen. Ich kontere natürlich mit meinem schonungslosen Cassidy-Schockfroster-Gesicht. Aber man muss es ihm lassen, er gibt nicht so leicht auf. Oh, und hör dir das an: Die stellvertretende Direktorin, du weißt schon, die mit der Dauerwelle – zumindest, herrjemine,
hoffe
ich, dass es eine Dauerwelle ist –, hat gefragt, ob ich Lust hätte, mich um eine volle Stelle ab September zu bewerben. Ich habe geantwortet, dass ich darüber nachdenken würde.» Sie legte ihr Sandwich wieder hin. «Was meinst
du

    Sims Tagebuch
    18 . April 2009
     
    Noch so eine furchtbare Party. Als ich schon fast aus der Tür bin, fällt mir ein Mädchen auf. Rabenschwarzes Haar. Sie dreht sich halb um, und ich denke: VERDAMMTE SCHEISSE (jawohl, in Großbuchstaben). Es ist die Fee von neulich! Ich versuche noch, mich auf Zehenspitzen wegzuschleichen. Aber sie dreht sich um und sieht mich direkt an.
    Nichts.
    Nada.
    Nicht einmal ein Wimpernzucken.
    Von diesem Schlag musste sich mein altes Ego erst einmal erholen. Ich meine, wir haben uns geküsst . Und ich bin wirklich gut darin. Sie wendet sich also ab, ganz ruhig, offenbar ein bisschen gelangweilt. Sie ist nicht mal halb so hübsch wie in meiner Erinnerung. Ich habe wohl den Winkel ihrer Nase übertrieben, die Schneeweißheit ihrer Haut. Und wo ist das verschmitzte kleine Lächeln?

Weitere Kostenlose Bücher