Ein Lied für meine Tochter
Ehering, was Sie da tragen?«, fragt der Richter Angela.
»Ja.«
»Sind Sie verheiratet, Miss Moretti?«
Sie kneift die Augen zusammen. »Ja.«
»Mit einem Mann oder mit einer Frau?«, mischt Wade Preston sich ein.
Angela wirbelt zu ihm herum. »Einspruch! Das ist unerträglich, Euer Ehren. Das ist diffamierend …«
»Es reicht!«, brüllt Richter O’Neill. »Der Antrag wird abgelehnt. Ich halte mich jetzt ein letztes Mal zurück, aber verschwenden Sie nicht noch mal meine Zeit.«
Kaum hat der Richter den Saal verlassen, da springt Angela auf, stürmt zum Tisch der Kläger und staucht Wade Preston zusammen, der mindestens acht Zoll größer ist als sie. »Ich schwöre dir, wenn du noch einmal meinen Charakter infrage stellst, dann hast du schneller eine Zivilklage am Hals, als du dir vorstellen kannst.«
»Deinen Charakter infrage stellen? Aber Miss Moretti, wollen Sie damit etwa sagen, es sei eine Beleidigung, jemanden der Homosexualität zu verdächtigen?« Er schüttelt den Kopf. »Schande, Schande, Schande. GLAD sollte dir die Mitgliedschaft entziehen.«
Angela sticht ihm mit dem Finger auf die schmale Brust. Sie sieht aus, als würde sie gleich Feuer spucken, doch dann hebt sie die Hände und weicht zurück. »Weißt du was? Ich wollte gerade Fick dich sagen, aber ich denke, ich warte bis zum Prozess, um dich fertigzumachen.«
Sie macht auf dem Absatz kehrt und marschiert durch die Schranke, den Gang hinauf und aus dem Saal. Vanessa schaut mich an. »Ich passe besser mal auf, dass sie seinen Wagen nicht in Brand steckt«, sagt sie und läuft Angela hinterher. In der Zwischenzeit dreht Wade Preston sich zu seinem Gefolge um. »Die Mission war ein Erfolg, meine Freunde. Wenn sie in der Defensive sind, können sie nicht angreifen.«
Er und Ben Benjamin gehen zusammen hinaus und flüstern miteinander. Den Bücherstapel, der Wade Preston bei jeder Sitzung begleitet, lassen sie zurück … und auch Max, der noch immer am Tisch sitzt und den Kopf in die Hände gelegt hat.
Als ich aufstehe, erhebt sich Max ebenfalls. Irgendwo sind noch ein Rechtshelfer und ein paar Gerichtsdiener im Saal, aber im Augenblick scheint es nur uns zwei zu geben. Ich bemerke die ersten grauen Flecken in seinem Bart, und seine Augen sind blutunterlaufen. »Zoe«, sagt er. »Das alles … Es tut mir leid.«
Ich versuche, mich daran zu erinnern, was Max an dem Tag zu mir gesagt hat, als wir unseren Sohn verloren haben. Vielleicht war ich ja noch zu betäubt, vielleicht war ich auch nicht ich selbst, aber ich kann mich an kein einziges Wort des Trostes erinnern. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er jemals etwas Konkretes zu mir gesagt hat, noch nicht einmal Ich liebe dich . Es ist, als wäre jedes Gespräch aus unserer Vergangenheit mumifiziert worden, ein antikes Relikt, das bei jedem Luftzug ein kleines bisschen mehr zerfällt.
»Weißt du, Max«, erwidere ich, »das glaube ich nicht.«
Lucy erscheint zu zwei weiteren Musiktherapieterminen zu spät, ignoriert mich und geht irgendwann wieder. Bei der dritten Sitzung habe ich die Nase voll. Wir sind in einem Mathematik-Klassenzimmer, und die Tafel ist voller Symbole, bei denen mir schwindelig wird. Als Lucy schließlich auftaucht, frage ich sie, wie ihr Tag war, und wie immer antwortet sie mir nicht. Doch diesmal hole ich meine Gitarre hervor und spiele All Out of Love von Air Supply.
Dem lasse ich als Zugabe My Heart Will Go On von Celine Dion folgen.
Ich spiele alles, von dem ich glaube, dass es Zoe entweder ins Koma schickt oder sie dazu bewegt, mir das Instrument aus den Händen zu reißen. An diesem Punkt würde mir sogar das wie ein Erfolg vorkommen. Aber Lucy lässt sich nicht erweichen.
»Tut mir leid«, sage ich schließlich. »Aber du lässt mir keine andere Wahl. Ich muss die schweren Geschütze auffahren.«
Ich lege die Gitarre in den Koffer zurück und schnappe mir stattdessen die Ukulele. Dann spiele ich die Titelmelodie von Barney & Friends.
Während der ersten drei Strophen ignoriert Lucy mich weiter. Und dann, plötzlich, schießt ihre Hand vor, und sie packt die Ukulele, sodass ich nicht mehr spielen kann. »Lassen Sie mich einfach in Ruhe«, schreit sie. »Das ist doch ohnehin, was Sie wollen.«
»Wenn du mir Worte in den Mund legen willst, dann werde ich das auch tun«, sage ich. »Ich weiß, was du tust, und ich weiß auch warum. Mir ist klar, dass du wütend bist.«
»Na, vielen Dank, Miss Offensichtlich«, murmelt Lucy.
»Aber du bist
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