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Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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verflog. Sie schaute und schaute, folgte jeder Figur, hielt bei den Sturzflügen den Atem an und atmete scharf ein, als Fieseler aus dem Rückenflug einen Außenlooping begann und so in den Gurten hing, dass man dachte: Jetzt, jetzt muss er fallen, das hält niemand aus.
    Die Leute warfen ihre Hüte in die Luft, als er landete. Die Schau war aus, die Seile fielen, und die Menschen strömten aufs Feld, standen in riesigen Trauben um die Maschinen herum, um sich auf ihre Eintrittskarten oder ihre Zigarettenalben Unterschriften zu holen, oder fachsimpelten mit falschen Begriffen über Tragwerk und Ventilstößel.
    Luise war am Rand des Feldes stehen geblieben. Jetzt, da alles vorbei war, spürte sie, wie schnell ihr Puls ging. Mit fast kalter Klarheit erkannte sie, wie weit sie selbst vom Fliegen entfernt war, aber mit derselben Klarheit wusste sie jetzt auch, dass es nichts anderes für sie gab. Das war keine Mädchenschwärmerei wie das Träumen von einem Leben in Paris oder einem Flirt mit Willy Fritsch. Fliegen, das wusste sie jetzt sicher, musste sie.

10

    »Na, hat’s Ihnen gefallen?«
    Greben hatte sich auf den Flügel seiner Messerschmitt gesetzt, ließ die Beine baumeln und lächelte ihr entgegen, als sie auf ihn zukam. Allmählich verlief sich die Menge, auch wenn hie und da noch Trauben von Menschen um Fieselers Schwalbe oder die Klemm herumstanden.
    »Großartig!«, antwortete Luise, »einfach famos!«
    Sie stand neben dem Propeller und fuhr mit den Fingern an der Kante des glatten Holzes entlang.
    »Braucht man lang, um das zu lernen?«, fragte sie zögernd.
    »Ach nee«, rief Greben und sprang vom Flügel, »daher weht der Wind also. Ich hatte es mir schon gedacht.«
    Er hatte die Fliegermütze abgenommen und sah auf einmal viel jünger aus. Das kam vielleicht, weil er blond war und sein Haar gar nicht so militärisch kurz trug wie die Flieger, die Luise von den Fotos kannte.
    »Sie haben aber auch Pech«, sagte er dann und hob die Schultern in einer Geste des Mitleids.
    »Wieso?«, fragte Luise, die nicht verstand, »ich habe doch alles gesehen!«
    »Nein, das meine ich nicht.«
    Greben duckte sich unter dem Propeller durch und stand nun auf der anderen Seite.
    »Wollen Sie wirklich fliegen lernen?«, fragte er sie mit plötzlichem Ernst.
    Luise sah ihm kurz in die Augen, dann schaute sie auf die Messerschmitt. »Ja«, sagte sie und holte tief Luft. »Und ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Ich bin ein Mädchen, ich bin zu jung und so. Aber ich weiß es einfach. Nicht erst seit heute. Ich weiß, dass ich fliegen will.«
    Greben machte wieder eine dieser Pausen, die wohl typisch für ihn waren.
    »Na ja«, meinte er dann in ganz lässigem Ton, als hätte er Luises Spannung gar nicht bemerkt, »deswegen sage ich ja, Sie haben Pech. Elly Beinhorn ist nämlich heute nicht mitgeflogen.«
    Luise wusste nicht, worauf er hinauswollte. Greben probierte vorsichtig mit der Handfläche am Motor, ob er noch zu heiß war, um ihn zu berühren.
    »Elly hat nämlich vor zwei Wochen hier ihren Kunstflugschein gemacht«, sagte er und sah dann wieder zu ihr hinüber. »Wie alt sind Sie?«
    »Achtzehn«, antwortete Luise.
    »Elly ist einundzwanzig.« Greben hörte auf, am Motor he­rumzufingern und sah sie an.
    Luise wusste nicht, was sie jetzt sagen sollte, ob er irgendetwas von ihr erwartete. Sie erwiderte aber seinen Blick und senkte ihn auch nicht, als er sie weiter ansah, schweigend, als ob er herausfinden wollte, ob sie nachgeben würde. Schließlich holte er einen Engländer aus der Tasche und stellte ihn für eine Schraube an seinem Motor ein.
    »Man kann alles erreichen«, sagte er beiläufig, während er die Mutter lockerte, »wenn man Mut hat und es wirklich will, kann man alles erreichen. Alles. Verdammt!«, rief er dann und ließ die Mutter fallen, die er gelöst hatte. Sie hatte ihm die Hand verbrannt. Luise musste lachen, zog ihr nicht mehr ganz sauberes Taschentuch heraus und hob die Mutter auf.
    »Manchmal reicht Wollen alleine nicht«, sagte sie frech und reichte sie ihm, »manchmal muss man auch vorher nachdenken.«
    Greben musste jetzt auch lachen.
    »Sie sind richtig«, sagte er anerkennend. »Woher kommen Sie eigentlich?«
    Luise nannte den Namen ihrer Heimatstadt. Greben nickte.
    »Nettes Städtchen«, meinte er und fragte dann beiläufig und während er noch eine Zündkerze mit Luises Taschentuch säuberte: »Soll ich Sie mitnehmen? Ich muss sowieso nach München zurück. Das liegt auf dem

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