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Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Weg.«
    Luise brauchte einen Augenblick, um ganz zu verstehen, was er gesagt hatte.
    »Im Ernst?«, fragte sie, plötzlich außer Atem, als wäre sie gerannt, »im Ernst?«
    »Na ja«, antwortete Greben forsch und hielt ihr die Zündkerze hin, »wenn Sie’s lernen wollen, müssen Sie ja irgendwann mit dem Fliegen anfangen. Schrauben Sie sie fest rein«, fügte er mit einem Blick in den Himmel hinzu, »wenn die da oben rausfliegt, haben Sie das ganze Benzin im Gesicht.«

    Greben hatte sie beim Flugzeug zurückgelassen, um sich von der Leitung seine Gage und das Flugbuch abzuholen. Luise lehnte am Rumpf hinter dem Flügel und sah in den Himmel, der sich leicht bezogen hatte, aber das machte nichts. Gleich, dachte sie, gleich. Es fiel ihr schwer, die Gefühle zu fassen, die sie gerade bewegten. Alles war so schnell und selbstverständlich gegangen. Als ob es so hätte sein müssen. Sie würde fliegen! Sie drehte sich um und sah die Messerschmitt an. Die sollte also ihr erstes Flugzeug sein! Jedes Detail betrachtete sie, die Schrammen im Lack des Rumpfes, das schon etwas rissige Leder der Sitze, die Instrumente, und sie musste lächeln, als sie das einfache Küchenthermometer sah, das Greben einfach neben die anderen Anzeigen geschraubt hatte, damit er wusste, wie hoch die Außentemperatur war. Als sie hinter sich Schritte hörte, drehte sie sich schnell um. Greben kam mit einer kleinen Aktentasche in der Hand wieder auf sie zu , und hätte er keine Fliegerkluft getragen, hätte er wie ein ganz normaler Beamter ausgesehen.
    »Sie sitzen ja noch gar nicht drin!«, sagte er gut gelaunt, während er seine Tasche mit Schwung ins Cockpit warf, »ich nehme nicht an, dass ich Ihnen helfen muss.«
    Luise hatte sich schon bei seinen ersten Worten auf den Tragflügel geschwungen und kletterte auf den Sitz. Ein Lederriemen hing rechts neben ihr, fast so breit wie ein Sattelgurt.
    »Muss ich mich angurten?«, fragte sie nun doch sehr aufgeregt.
    Greben nickte, als er nach ihr einstieg.
    »Ich fliege heute zwar keine Loopings mehr«, sagte er, deutete jedoch nach oben und fügte hinzu: »Aber es kann sein, dass es Gewitter gibt. Auch so wird’s vielleicht ein bisschen turbulent. Sie können immer noch mit dem Zug fahren«, sagte er lächelnd.
    »Nicht, wenn ich fliegen kann«, antwortete Luise schnell.
    Greben tauchte lachend an seinem Platz nach unten, kam wieder hoch und hielt ihr eine Fliegerkappe hin.
    »Sie werden sie brauchen«, sagte er.
    Besorgt sah er auf ihre leichte Windjacke. »Ihnen wird kalt werden. Ich habe leider nichts weiter dabei. Hatte nicht mit Passagieren gerechnet«, lächelte er dann charmant.
    »Macht nichts«, erwiderte Luise, die sich noch nicht angegurtet hatte. »Soll ich anwerfen?«
    »Bitte!«, antwortete Greben nach einem kleinen Augenblick der Überraschung und machte eine ironisch einladende Handbewegung nach vorne. Luise kletterte noch einmal aus dem Sitz, ging um die Maschine herum und hängte sich dann mit ihrem gesamten Gewicht an einen der Propellerflügel. Als der erste Widerstand überwunden war, drehte der Propeller sich mit Schwung weiter und der Motor sprang an. Er war ja auch noch warm gewesen. Greben hob lächelnd den Daumen in ihre Richtung, und Luise rannte stolz um den Flügel herum, kletterte noch einmal hoch und glitt in ihren Sitz. Hier, hinter dem Propeller, stürmte es jetzt, und sie zog die Riemen ihrer Haube fest. Und dann, ganz ohne weitere Warnung, gab Greben Gas, und die Maschine begann zu rollen. Holprig ratterten sie über die Wiese und wurden immer schneller. Dann hörte das Holpern mit einem Mal auf, und Luise wurde mit dem überraschendsten und aufregendsten Gefühl, das sie in ihrem ganzen Leben je gehabt hatte, gleichzeitig nach hinten und unten in ihren Sitz gedrückt. Der Fahrtwind riss ihr die Worte vom Mund weg, als sie schrie: »Ich fliege! Ich fliege!«
    Sie stiegen mit unglaublicher Schnelligkeit, und das wunderbare Gefühl in ihrem Magen hörte nicht auf. Luise streckte die Arme aus, spreizte die Finger, der Wind knatterte durch sie hindurch und ließ sie vibrieren. Greben tippte ihr leicht auf die Schulter, und sie drehte sich zu ihm um. Er hielt den Daumen hoch und grinste sie an. Luise war so glücklich, dass sie nicht anders konnte als laut zu lachen. Greben deutete nach oben, sie folgte seiner Geste mit dem Blick, und dann war es um sie herum auch schon neblig, feucht und kalt, und auch das gehörte zum Wunderbarsten, was sie jemals gefühlt hatte, denn

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