Ein Lord entdeckt die Liebe
wie es sein sollte. Statt Hardwick Anweisungen zu geben, musste er Konversation mit ihr machen und dabei so tun, als bemerke er nicht, wie bezaubernd sie aussah.
Sie trat aus dem Laden und schenkte ihm ein winziges Lächeln. „Ich bin so weit.“
Er deutete eine Verbeugung an, reichte ihr jedoch nicht den Arm. Ohne ein weiteres Wort machten sie sich auf den Weg.
Die Sonne stand schon tief, und viele Geschäfte hatten bereits geschlossen. Die Straßen begannen sich zu leeren. Vom Fluss her breitete sich Nebel aus.
Stumm gingen sie nebeneinander her. Zwischen ihnen herrschte ein spannungsgeladenes Schweigen.
Auch das, dachte Braedon, ist eine dieser scheußlichen Veränderungen. Wie oft hatte er sich im gleichen Raum wie Hardwick aufgehalten, ohne mit ihr zu reden. Stets hatte er sich dabei angenehm entspannt gefühlt. Das war vorbei. Irgendetwas beeinträchtigte sein Wohlbefinden.
Aus den Augenwinkeln warf er ihr einen kurzen prüfenden Blick zu. Auch sie schien sich nicht wohl zu fühlen. Ihre Haltung wirkte steif, und sie presste die Lippen fest aufeinander.
Plötzlich jedoch fragte sie: „Was hat Sie nach London geführt, Mylord?“
„Ich bin wegen meiner Sammlung hier.“ Dem Himmel sei Dank, Hardwick hatte das Thema von sich aus angeschnitten.
„Ach?“
Das war alles. Vergeblich wartete er auf weitere Fragen oder irgendein anderes Zeichen des Interesses. Er war verwirrt, verärgert, ratlos. Bis eben noch hatte er fest daran geglaubt, dass seine Sammlung ihr fast so wichtig war wie ihm selbst. Er war sich sicher gewesen, dass sie sich voller Begeisterung in ein Gespräch über die Fortschritte bei der Fertigstellung des Ausstellungsraums stürzen würde. Er hatte sogar damit gerechnet, von ihr Neuigkeiten über den Speer zu erfahren.
Stattdessen schwieg sie eine ganze Weile, ehe sie endlich sagte: „Ich hoffe, in Denning ist alles in Ordnung?“
„Ja.“ Wie, zum Teufel, war er nur in diese verfahrene Situation geraten? „Keller und die Handwerker lassen Sie grüßen!“
„Danke! Bitte, richten Sie ihnen aus, dass ich ihnen alles, alles Gute wünsche.“
Er brummte etwas Unverständliches. Wenn es nach ihm ging, würde er keine guten Wünsche ausrichten. Er würde Hardwick selbst mit zurücknehmen nach Denning Castle.
Wieder schritten sie schweigend nebeneinander her. Selten hatte Braedon sich so unbehaglich gefühlt. Selbst während des Krieges, als er damit rechnen musste, im nächsten Moment von der Kugel eines Franzosen getötet zu werden, war er sich nicht so verwundbar vorgekommen. Was war nur los mit ihm? Verflucht, er durfte sein Ziel nicht aus den Augen verlieren! Jawohl, er hatte ein Ziel. Und er würde nicht zulassen, dass ausgerechnet eine Frau ihn daran hinderte, dieses Ziel zu erreichen.
Ob Hardwick ahnte, was in ihm vorging? Längst war ihm klar geworden, dass sie über ein erstaunliches Einfühlungsvermögen verfügte. Vermutlich wusste sie ganz genau, was ihn nach London geführt hatte. Allerdings schien sie entschlossen, nicht mit ihm darüber zu sprechen.
Es war nicht mehr weit bis Ashton House, und sie beschleunigte ihre Schritte. Zweifellos brannte sie darauf, ihn loszuwerden. Nun, er würde sie nicht so leicht davonkommen lassen! Er räusperte sich.
Sie starrte stur geradeaus und erhöhte das Tempo noch einmal. Dann, als sie den ersten Blick auf Ashton House erhaschte, begann sie beinahe zu rennen. Atemlos erreichte sie die Eingangstür. „Vielen Dank für Ihre Begleitung, Mylord“, stieß sie hervor. „Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt. Ich muss mich zum Dinner umkleiden. Werden Sie mit uns zu Abend speisen?“
„Nein.“
„Wie bedauerlich.“
Natürlich log sie. „Hardwick!“ Er griff nach ihrem Arm – und zuckte zurück. Die Berührung traf ihn wie ein elektrischer Schlag. Dabei trug er Handschuhe, und Hardwick hatte nicht nur ihr Jäckchen, sondern darunter noch ein Kleid mit langen Ärmeln an. Dennoch kribbelten jetzt nicht nur seine Fingerspitzen. Einen Moment lang stockte ihm der Atem, und sein Herz stolperte. Ihm wurde heiß, zuerst in der Brust, dann weiter unten.
Hölle und Verdammnis, hatte er Hardwick nie zuvor berührt? Hatte er sie während all der Wochen und Monate, in denen sie so viel Zeit zusammen verbracht hatten, nie angefasst? Er wusste es nicht, sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Es war … unerträglich!
Sein Herzschlag beruhigte sich, und Braedon war wieder in der Lage zu atmen. „Hören Sie, Hardwick“, sagte er, „Sie
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