Ein Lord entdeckt die Liebe
überzeugt, dass er Ihnen unter die Röcke wollte.“
Der Vorwurf und die Wortwahl machten sie sprachlos. Als sie ihre Stimme wiederfand, stieß Chloe hervor: „Wie können Sie es wagen!“ Dann eilte sie die Treppe hinunter.
Braedon folgte ihr. Als er sie einholte, hielt er sie am Arm fest. Chloe riss sich los und eilte quer durch die Eingangshalle in Richtung Haustür.
Die meisten Gäste hatten sich längst verabschiedet, doch der rundliche Gentleman, der mit ihr geplaudert hatte, stand, ein Glas Champagner in der Hand haltend, allein in der Nähe der Tür zum Salon und prostete ihr zu.
Chloe bat einen Diener, ihr ihren Umhang zu bringen. Sie ließ es zu, dass der Marquess ihr hineinhalf. Gemeinsam traten sie auf die Straße hinaus. Marlands Kutsche war nirgends zu sehen.
„Wo ist Ihr Landauer?“
„Ich sagte doch: Ich habe Signor Pisano damit nach Hause bringen lassen. Nehmen wir eine Droschke. Es warten ja genug.“
Sie stiegen in die erste, und Chloe suchte sich einen Platz möglichst weit von Marland entfernt. Die Stimmung war äußerst angespannt.
Nach einer Weile seufzte Braedon auf. „Es tut mir leid, Hardwick.“
„Das sollte es auch! Der Earl hat sich wie ein Gentleman benommen.“
„Ich weiß nicht einmal, warum ich diese Dinge gesagt habe.“ Marland starrte aus dem Fenster in die dunkle Nacht.
„Nun, ich weiß es auch nicht. Zumal Sie mir sehr deutlich zu verstehen gegeben haben, dass Sie kein Interesse an mir als Frau haben. Warum reagieren Sie dann so gereizt, wenn Sie denken, jemand anders könne mich anziehend finden?“
Er erwiderte nichts.
Sie wäre beinahe in Tränen ausgebrochen, als ihr der Grund dafür klar wurde. Niedergeschlagen musste sie sich eingestehen: Marland konnte und wollte ihr nicht widersprechen. Oh Gott, wie schmerzhaft diese Erkenntnis war!
Schnell erreichten sie Marlands Stadthaus. Chloe hatte gerade genug Zeit, um ihre Fassung zurückzuerlangen, ehe die Droschke hielt. Fürsorglich half Braedon ihr beim Aussteigen. Jetzt schien die Luft zwischen ihnen zu vibrieren.
Das Haus lag im Dunkeln. Nach der harten Arbeit der letzten Tage schliefen die Dienstboten bestimmt tief und fest. Lady Ashton hingegen tanzte vermutlich noch auf Mrs Edmunds Ball. Statt zu klopfen, holte der Marquess einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür selbst.
Chloe bemerkte, dass seine Hand ein wenig zitterte. „Der Nachthimmel über London ist mir immer ein wenig unheimlich“, sagte sie. „Mir fehlen die Sterne.“
„Haben Sie sich deshalb die Sterne ins Haar flechten lassen?“ Seine Stimme klang sanft.
Sogleich spürte Chloe, wie sich eine angenehme Wärme in ihrem Inneren ausbreitete. Unwillkürlich hob sie die Hand, um einen der kleinen glitzernden Steine zu berühren.
Einen Moment lang blieben sie reglos vor der offenen Tür stehen. Keiner wollte als Erster ins Haus treten. Schließlich zog er sie in die Eingangshalle.
Auf einem Tischchen stand ein Leuchter mit drei flackernden Kerzen. Marland nahm ihn und ging weiter.
Ich sollte mich sogleich auf mein Zimmer begeben, dachte Chloe. Stattdessen folgte sie Braedon in den vorderen Salon. Sie kam sich sehr mutig, fast ein wenig verrucht vor, als sie die Tür hinter sich schloss. Schweigend wartete sie, während der Marquess ein paar Holzscheite auf das Feuer im Kamin legte.
Sie musste lange warten. Auch als die Flammen fröhlich flackerten, hockte Braedon noch vor dem Kamin. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und schwieg. Hoffnung und Verzweiflung kämpften in ihrem Inneren miteinander.
Schließlich ergriff sie das Wort. „Ich habe einen interessanten Mann getroffen“, begann sie. „Er …“
Marland sprang auf und fuhr herum. „Nein!“ Sein Gesicht trug einen gequälten Ausdruck. „Wir müssen dieser Geschichte ein Ende bereiten. Wenn es nur nicht so schwer wäre!“
Ein kalter Schauer überlief Chloe. „Wovon sprechen Sie?“
„Von uns. Wissen Sie eigentlich, was Sie mir antun? Ahnen Sie auch nur, wie verführerisch Sie sind? Ich möchte Sie an mich ziehen und Sie küssen – genau wie jeder Mann in den Hanover Square Rooms das wollte. Verflucht, ich hätte sie am liebsten alle umgebracht.“
Sie meinte, ihren Ohren nicht trauen zu können.
„Ich weiß, dass Sie nicht mir gehören. Ich weiß es genau. Trotzdem kann ich mich kaum beherrschen, so sehr verlangt es mich danach, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen und Sie überall zu berühren.“ Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Den ganzen Abend
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