Ein Lord mit besten Absichten
wollte das geliebte Stück vorsichtig in ihre Hände betten, doch Nobles plötzliche hektische Bewegungen und sein energisches Zurückwerfen des Kopfes hielten sie davon ab. Natürlich, wie grausam und gedankenlos von ihr. Offensichtlich war ihm seine Notlage peinlich, und er wollte auch kein Mitleid – nicht vor seinem Sohn, der das Geschehen mit hellwachen, leuchtenden Augen beobachtete. Gillian verdrängte eine Träne und nickte ihrem Mann beruhigend zu, ehe sie sich seinen Fußfesseln widmete.
Gütiger Gott, auch wenn diese Haltung sehr unbequem für ihn war und ihn fuchsteufelswild gemacht hatte, brachte sie seine männlichen Attribute doch hervorragend zur Geltung. Wenn diese Feiglinge nur nicht eines seiner interessanteren Stücke kaputt gemacht hätten. Gillian verharrte ein oder zwei Sekunden in Trauer über den Schaden an diesem Körperteil, dann schenkte sie ihre Aufmerksamkeit und Bewunderung seinen muskulösen Oberschenkeln und Waden, bis weitere gedämpfte Protestäußerungen sie dazu brachten, sich an den Handschellen zu versuchen.
»Sie sind abgeschlossen«, stellte sie fest und blickte hoch. Vorher war ihr gar nicht aufgefallen, was für eine unglaublich breite Brust ihr Lord von Prachtkerl besaß, obwohl auch seine ausgestreckten Arme zu diesem Eindruck führen konnten. Sie dachte mit vor Konzentration zusammengekniffenen Augen darüber nach, während sie den Blick über seinen Oberkörper wandern ließ und ihn sich mit angelegten Armen vorstellte. Nein, das war keine optische Täuschung; seine Brust war tatsächlich so breit. Sie fragte sich kurz, wie viele Hände sie wohl maß, und wollte ihre Neugier umgehend befriedigen, als ein weiterer gurgelnder Protestlaut sie stoppte. Noble schlug zweimal mit dem Kopf ans Betthaupt und rollte mit den Augen.
»Ach, natürlich, der Knebel. Warum hast du das nicht gleich gesagt? Heb mal den Kopf, dann kann ich ihn dir abnehmen …«
Der Knoten saß sehr fest, sodass Gillian – die während des Kampfes mit dem widerspenstigen Tuch quer auf Nobles sich heftig hebender und senkender Brust lag – mehrere Minuten brauchte, um ihn schließlich von dem widerlichen Ding zu befreien.
Der Schwall von Flüchen, der Noble schlagartig über die Lippen sprudelte, bestätigte ihren Verdacht. Er war
sehr
wütend. Nach mehreren nervösen Blicken zu Nick, der seinen Vater mit einer Gelassenheit ansah, die sie ihm keine Sekunde lang abkaufte, unterbrach sie schließlich das, was eine ausführlichere Beschreibung der Foltermaßnahmen zu werden schien, die Noble sich für seine Peiniger vorgenommen hatte.
»Das mit der eisernen Jungfrau und dem Salpeter klingt gut, Liebster, aber vorher würde ich dich gerne von diesen Fesseln befreien.«
Etliche Minuten später, als Noble wieder sprechen konnte, ohne weitere Schilderungen von Racheakten einzuflechten, kam er auf Gillians zuvor geäußerte Feststellung zurück.
»Der Schlüssel für die Handschellen liegt auf der Frisierkommode. Ich hatte ihn den ganzen verfluchten Abend vor Augen.«
Während Nick zur Kommode lief, ließ Gillian sich neben ihrem gefesselten Mann auf dem Bett nieder und legte gedankenverloren eine Hand auf seine nackte Brust. Er war warm. Sehr warm. »Wer hat dir das nur angetan, Noble?«
Der Schwarze Earl schloss die Augen. »Ich weiß es nicht, habe aber einen Verdacht.«
»Du weißt nicht, wer dich ins Haus deiner Mätresse gelockt und nackt ans Bett gekettet hat?«
»Nein. Ich wurde niedergeschlagen, kaum dass ich hineingegangen war.« Noble stöhnte leicht auf, als Gillians Hand auf beruhigende Weise über seine Brust glitt. Vielleicht war es ja tatsächlich nur zur Beruhigung gedacht, doch leider rief die Gegenwart seiner Frau noch eine andere Wirkung bei Noble hervor, die in Kürze allzu offensichtlich werden würde, wenn sie sich ihm weiterhin auf diese Weise widmete.
Die Gegenwart seiner Frau?
»Was zum Teufel machst du hier?«, brüllte Noble plötzlich los, womit er Gillian aus ihren Träumereien schreckte. Sie zuckte heftig zusammen, während ihre Finger noch mit seinen Brusthaaren verwoben waren. Wieder brüllte Noble auf, diesmal jedoch vor Schmerz. »Du solltest doch auf Nethercote sein! Ich kann mich nicht erinnern, dir die Erlaubnis erteilt zu haben, Nethercote zu verlassen!«
Gillian blickte zur Frisierkommode, wo Nick einen Schlüssel hochhielt und die Stirn runzelte. Gillian schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Mir war nicht bewusst, dass ich eine Gefangene bin und erst nach
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