Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lord mit besten Absichten

Ein Lord mit besten Absichten

Titel: Ein Lord mit besten Absichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie MacAlister
Vom Netzwerk:
kämpften. Auch Wut und männliche Dominanz waren dort zu erkennen, genauso wie Besorgnis und noch etwas anderes, das sie nicht benennen konnte. Es war etwas, das sie sich sehr weiblich fühlen ließ, das ihr das Gefühl von Frieden gab und die Gewissheit, mit ihm im Reinen zu sein, auch wenn sie im Augenblick die Zielscheibe seines Wutausbruchs war.
    »Was bin ich für dich?«, flüsterte sie, als sie die Frage nicht länger für sich behalten konnte.
    Er kniff die Augen zusammen. »Du bist meine Frau.«
    Das Gefühl der Wärme und des Friedens verflog und machte den Tränen Platz, die schon die ganze Zeit zu fließen drohten. »Ist das alles, Noble? Dann ist es also wahr – ich bin nur ein Besitz? Etwas, das du mit einer bestimmten Absicht erstanden hast? Ich bin für dich nicht mehr als nur ein Gegenstand, den man irgendwo verwahrt und hervorholt, wenn einem der Sinn danach steht?«
    Noble wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er wusste nicht, wie er den Schmerz lindern sollte, den er in ihren wundervollen grünen Augen sah. Die Antwort fand sich tief in seinem Herzen, doch noch waren die Worte zu neu, zu frisch, um laut ausgesprochen zu werden. Das Licht in seinem Innern, ihr Licht, strahlte noch zu schwach, um alle Dunkelheit zu verbannen. Er blickte in ihre Augen und schwieg; er verfluchte sich für seine Unfähigkeit, die richtigen Worte zu sagen, für seinen Wunsch, das haben zu wollen, wonach er nie wieder hatte suchen wollen. Und er verdammte sich dafür, dass er sie in die geheimen Winkel seiner Seele hatte schauen lassen, was er niemandem zuvor je gestattet hatte.
    Mit gequälter Miene sah er zu, wie Gillian sich von ihm losriss und schluchzend aus dem Zimmer rannte. Großer Gott, was hatte er nur angerichtet? Als Noble glaubte, seine Knie gäben gleich nach, ließ er sich in den Sessel sinken, aus dem Gillian soeben aufgesprungen war, und stützte den Kopf in die Hände. Wie zum Teufel hatte es so weit kommen können? Wann war ihm die Kontrolle über sein Leben entglitten und hatte sich sein wohlgeordnetes und perfekt strukturiertes, angenehmes Leben in dieses chaotische Possenspiel verwandelt? Wie konnte man von einem Menschen erwarten, dass er funktionierte wie immer, wenn sich all seine Pläne, all seine Hoffnungen zerschlugen und stattdessen … plötzlich nahmen seine Überlegungen eine andere Richtung.
    Welchen Sinn hatte es, sich etwas vorzumachen? Ja, sein Leben war in wohlgeordneten und strukturierten Bahnen verlaufen, ehe Gillian dazugekommen war, aber es war auch trübe und trostlos gewesen, ein Leben ohne Freude, ohne Wärme, ohne … Liebe. Vielleicht wurde sie von Chaos und Pech verfolgt, aber war das nicht ein geringer Preis für die Liebe, die er dafür von ihr bekam? Und was hatte er im Angesicht dieser Liebe getan? Er hatte ihr die Leviten gelesen, sie angeschrien, bis sie schluchzend in Tränen ausgebrochen war, als sie begriffen hatte, dass er ihr die Worte, die sie hören musste, nicht sagen würde, nicht sagen
konnte
.
    Er dachte an die Tränen einer anderen Frau, Tränen, die die Folge seiner Grobheiten gewesen waren. Noble krallte die Hände in die Armlehnen, bis seine Fingernägel Halbmonde ins Holz gruben, doch er schenkte dem Schmerz keine Beachtung. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich gegen den lähmenden Schmerz zu wehren, der seine Seele gepackt hatte.
    Lieber Gott, bitte lass nicht zu, dass ich sie genauso aus dem Haus treibe wie Elizabeth, betete er, während ihm wirre Gedanken durch den Kopf kreisten. Die Bilder jener Nacht, jener furchtbaren Nacht drängten sich ihm auf. Der Anblick seines Sohnes, zusammengekauert in einer Blutlache, fast wahnsinnig vor Angst und Entsetzen. Jener Nacht, in der seine Frau gestorben war, die Nacht, in der ihm klargeworden war, dass die Hölle tatsächlich existierte, da er sich mittendrin befand. Alte Schuldgefühle, die er für längst überwunden gehalten hatte, packten ihn und einten sich mit den neuen, die er wegen seiner Art, Gillian zu behandeln, empfand.
    Noble Britton, der zwölfte Earl von Weston, saß allein in seiner Bibliothek und stellte sich endlich den Emotionen, die er seit fünf Jahren verdrängte: Trauer, dass sein Sohn diese schrecklichen Dinge miterleben musste; Gewissensbisse, weil er seine erste Frau im Stich gelassen hatte; Selbstmitleid, weil er so lange Zeit in der Hölle gelebt hatte. Und schließlich – noch neu und fremd, die Scham darüber, dass er den einzigen Menschen verletzt hatte, der

Weitere Kostenlose Bücher