Ein Lord mit besten Absichten
Smollett«, erklang eine Stimme vom anderen Ende des Zimmers. Gillian schwang herum und warf erschrocken die Hände an die Kehle, entspannte sich aber, als sie Lord Carlisle lässig an der Wand neben einem Kleiderschrank lehnen sah.
»Sie haben mich wirklich erschreckt, Mylord, doch ich freue mich, dass Sie hier sind. Ich wurde aufgehalten und hatte schon Angst, Sie würden wieder gehen, ehe ich Sie treffen konnte.«
»Und mich selbst um das Vergnügen bringen, ein paar gestohlene Minuten in Ihrer erlauchten Gesellschaft zu verbringen, Madam?« Lord Carlisle schlenderte in den Raum und erfasste mit beiden Händen Gillians Hand, um sie zum Mund zu führen. »Ich hätte nicht weggehen können, ohne wenigstens noch einmal in diese hinreißenden Smaragdtiefen zu blicken.«
Er sah Gillian tief in die Augen, während er ihre Hand umdrehte und die Innenfläche küsste.
Gillian beugte sich vor. »Sie sind wirklich gut, Mylord, aber nicht annähernd so gut wie mein Ehemann.«
Das Lächeln, das dem Earl um seine männlichen Lippen gespielt hatte, erstarb abrupt. Seufzend ließ er ihre Hand sinken.
»Also, niemand kann mir vorwerfen, ich hätte es nicht versucht.«
»Nein«, lachte Gillian, »versucht haben Sie es. Es tut mir leid, Mylord, aber ich wünsche mir keine Affäre mit Ihnen; ich möchte lediglich wissen, was Sie mir über Noble erzählen wollten. Und ich möchte mit Ihnen über dieses törichte Duell sprechen.«
Für einen Moment schwieg Carlisle und blickte melancholisch aus seinen schwarzen Augen. »Madam, darf ich Ihnen einen Rat geben, auch wenn wir uns erst seit Kurzem kennen?«
»Einen Rat? Was für einen Rat?« Gillian spähte zur Tür. Sollte die Zofe nicht längst da sein?
»Wie ich bereits früher erwähnte, habe ich allen Grund zu glauben, dass Lord Weston seine Frau ermordet hat.«
»Ach, das«, unterbrach Gillian ihn und winkte ab. »Mylord, das haben wir doch schon erörtert. Was auch immer Lady Weston erzählt hat, ich weigere mich zu glauben, dass Noble getan hat, was Sie ihm vorwerfen. Er ist schlichtweg nicht zu so etwas imstande.«
Carlisle ergriff erneut ihre Hand, doch diesmal war seine Miene ernst und besorgt. »Meine Liebe, ich weiß, dass es schwer für Sie ist, sich einzugestehen, dass Ihr Ehemann für den Tod seiner Frau sowie für deren Leiden vor ihrem vorzeitigen Ende verantwortlich ist. Daher habe ich die Befürchtung, dass Sie dasselbe Schicksal wie meine liebe Elizabeth erleiden könnten, wenn sich sein launisches Temperament gegen Sie wendet.«
»Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen«, erwiderte Gillian mit einem kurzen Drücken seiner Hand. »Aber weder habe ich etwas vor Noble zu befürchten noch werden Sie mich davon überzeugen, dass er irgendetwas mit dem Tod seiner Frau zu schaffen hatte. Wenn Sie mir dann also jetzt erzählen würden, was Sie mir über den Überfall auf Noble mitteilen wollten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
Carlisle schloss für einen Moment die Augen und hob an zu sprechen, als es an der Tür klopfte.
»Ah, sehr gut, das wird die Zofe sein«, erklärte Gillian, während sie sich zur Tür begab.
»Lady Weston?«
Die Stimme an der Tür stammte von einem Mann.
»Ach herrje«, stöhnte sie mit einem schuldbewussten Blick zum Earl.
Er hob einen Finger an die Lippen und versteckte sich im Kleiderschrank.
»Ja?« Gillian öffnete die Tür. Es war der kleine Lakai. Er blickte sich nervös um, dann zog er die Tür weiter zu und schlüpfte durch die Öffnung.
»Mylady, Ihr Gatte ist eingetroffen und sucht Sie. Ich würde vorschlagen, dass Sie sich später … ausruhen.«
»Oh ja, natürlich. Ähm …« Gillian warf einen besorgten Blick zum Schrank. Sie hasste es, den Earl allein zu lassen, ohne herausgefunden zu haben, was er über Nobles Angreifer wusste. »Kann ich auf Ihre Diskretion vertrauen … äh …?«
»Jones«, erwiderte der Mann mit einem Nicken. »Selbstverständlich, Madam.«
»Ausgezeichnet«, sagte Gillian erleichtert und öffnete die Schranktür. »Lord Carlisle, Sie können herauskommen. Jones hier wird alles für sich behalten, Sie können mir also ruhig alles erzählen, was Sie über den miesen Überfall auf Noble wissen.«
Carlisle rollte mit den Augen und wollte aus dem Schrank steigen, als es an der Tür klopfte.
Gillian lächelte ihn bedauernd an, schob ihn in den Schrank zurück und schloss die Tür. Dann winkte sie den Lakaien hinter den Paravent und ging, um die Tür zu öffnen.
»Bin ich zu spät?«, fragte
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