Ein Lord mit besten Absichten
nehmen. Ich gehe unters Bett.«
Rosse und der Lakai sahen einander an und sich dann im Zimmer um. Rosse hatte die schnelleren Beine und schaffte es knapp vor dem Lakaien hinter das kleine Sofa. Gillian stand vor dem Kleiderschrank, als der Lakai mit einem leisen Fluch hineinschlüpfte.
Sie wollte eben zur Tür gehen, als Noble ins Zimmer stürzte.
»Hallo, mein Schatz. Warst du das, der da so gebrüllt hat?«
Noble ließ kurz seinen Blick durch das Zimmer schweifen und nahm sofort den Kleiderschrank ins Visier. »Himmelherrgott noch mal, du versteckst ihn?«, stieß er hervor, während er geradewegs auf das massive Möbelstück zustapfte. »Haben wir uns nicht gerade erst über McGregor unterhalten, meine Liebe?«
»Nein«, widersprach Gillian, als Noble die Schranktür aufriss, hineinlangte und den Lakaien herauszog. Verblüfft starrte er auf den Mann, den er mit der Faust am Kragen gepackt hielt. »Nicht
wir
haben uns unterhalten, sondern
du
. Ich habe nur zugehört.«
»Wer zum Teufel ist das? Und warum versteckt er sich in Lady Gayfields Kleiderschrank?«
»Das ist Jones, ihr Lakai«, antwortete Gillian.
»Ähm … eigentlich arbeitet er für mich«, berichtigte Rosse, während er das Sofa wegschob und sich dahinter zu voller Größe erhob.
»Harry? Was machst du denn hier? Ich dachte, wir … äh … ich dachte, du würdest unten warten?«
»Ich hielt es für besser, in der Nähe zu sein, für den Fall, dass du deine Drohung gegenüber Carlisle wahrmachen wolltest«, erklärte Rosse. »Würdest du vielleicht Jones loslassen? Er kann bestimmt nicht gut atmen, wenn du ihn so an der Kehle packst.«
»Oh … äh … Verzeihung.« Noble ließ den Mann herunter und strich ihm kurz die zerknitterte Livree glatt. »Dann ist Carlisle nicht hier?«
»Doch, ist er, wo auch immer«, entgegnete Rosse und rückte seine Brille zurecht. »Mal sehen; ich glaube, der hinter dem Paravent ist Tolly.«
Sir Hugh tauchte mit hochrotem Gesicht auf. »Noble, ich war hergekommen, um deine Frau zu warnen, dass du von den abscheulichen Gerüchten über sie und Carlisle gehört hättest …«
»Ist schon gut, Tolly. Ich bin sicher, Noble weiß, dass du hier warst, um ihn zu beschützen.«
Sir Hugh nickte eifrig.
»Und Lady Westons Cousine steckt, glaube ich, im Bett … ah, ja, da ist sie auch schon.«
»Guten Abend, Lord Weston«, begrüßte Charlotte ihn mit einem Knicks, während sie gleichzeitig für den Marquis mit den Wimpern klimperte.
»Und der da unter dem Bett hervorlugt, ist Carlisle.«
Noble, der mit großer Verwirrung beobachtet hatte, wie immer mehr Leute aus und hinter diversen Möbelstücken auftauchten, verengte knurrend die Augen zu Schlitzen, als sich der Earl unter dem Bett hervorzog.
»Es ist also alles in Ordnung, alter Freund. Wie du siehst, befand sich deine Frau immer in Gesellschaft zahlreicher Anstandsdamen.«
»Ende gut, alles gut«, fasste Charlotte zusammen und lächelte Rosse an.
»Ich würde Carlisle gern allein sprechen«, erklärte Noble mit rauer Stimme.
Carlisle klopfte sich den Staub von den Kleidern. »Ich glaube nicht, dass mich das Ganze hier irgendwie beeindruckt. Wir haben eine Verabredung, in zwei Tagen, bei Sonnenaufgang. Weston? Ausgezeichnet. Ich werde meine Sekundanten wählen und dich dann dort sehen. Meine Damen, wenn Sie mich bitte entschuldigen.« Carlisle verbeugte sich und verließ den Raum.
Gillian, die ihren Ehemann am Arm festgehalten hatte, als Carlisle unter dem Bett aufgetaucht war, atmete erleichtert auf, seufzte jedoch sofort besorgt, als Noble mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß, sagte: »Wenn Sie uns bitte alle entschuldigen würden, meine Frau und ich müssen uns unterhalten.«
»Gewiss doch«, antwortete Charlotte strahlend und hakte sich augenblicklich bei dem Marquis ein. »Lord Rosse, würden Sie mich nach unten begleiten? Ich habe einen ausgesprochen schlechten Orientierungssinn und verlaufe mich ganz bestimmt, wenn Sie mir nicht den Weg zeigen.«
Rosse bedeutete dem Lakaien vorauszugehen und kam ihrer Bitte mit einem an Noble gerichteten, unauffälligen Augenrollen und verstohlenen Grinsen nach.
»Weston, ich habe das dringende Bedürfnis, etwas zu Lady Westons Verteidigung vorzubringen«, sagte Sir Hugh, während er mit seinem Lorgnon spielte. »Sie ist jung und lässt sich noch leicht beeindrucken, und ich bin sicher, dass es ihr fernlag, dass alle Welt von ihrem geheimen Treffen erfährt …«
»Ist gut, Tolly«, knurrte Noble
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