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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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verdienten. Ein Vertreter dieser Spezies hatte sich in Tulivar noch nicht blicken lassen. Ich hatte vorsorglich Woldan gebeten, sich mit den zur Sprache kommenden Fällen zu befassen und im Notfalle als Anwalt der Betroffenen zu agieren. Ich war sehr daran interessiert, wirklich Recht zu sprechen, nicht nur, um meine Autorität zu beweisen, sondern auch, um die renitenten Untertanen an die simple Tatsache zu erinnern, dass jetzt ein neuer Wind in Tulivar wehte.
    Drei Angeklagte wurden mir vorgeführt. Die beiden ersten Fälle drehten sich um mehr oder weniger schwere Fälle von Diebstahl. Beides waren Wiederholungstäter, die ihren Hof verloren hatten und zur Miete in der Stadt wohnten. Objektiv betrachtet war ihre Beute klein, aber in Relation zur Armut in meiner Provinz dann doch wieder beträchtlich. Selur schilderte ihre Taten mit notwendiger Theatralik und weit ausholenden Gesten, das zahlreich versammelte Publikum folgte diesem Schauspiel teilweise mit offenem Mund. Es war mucksmäuschenstill, als Selur geendet hatte. Ohne Zweifel hatte sein Vortrag den gewünschten Eindruck hinterlassen. Selbst die beiden Angeklagten wirkten rechtschaffen reumütig.
    Beide ließen sich durch ihre Ehefrauen verteidigen, was ich für einen geschickten Schachzug hielt. Die beiden Frauen waren auf ihre Art durchaus eloquent. Sie trugen viel zur Hintergrundgeschichte der beiden Angeklagten bei. Wie bei so vielen war der wirtschaftliche Niedergang durch den Krieg Ursache der Probleme. Aber andere Leute in dieser Stadt hatten nicht angefangen, ihre Mitbürger auszunehmen, selbst wenn man die überhöhten Preise am Verkaufsstand der alten Netty mit in Betracht zog. Ich war durchaus zur Milde bereit, ließ mich aber ungern aufs Glatteis führen. Nachdem ich alle Seiten gründlich angehört hatte, um nur nicht den Anschein zu erwecken, zu voreiligen Urteilen zu neigen, machte ich meine Entscheidung bekannt: Die beiden Diebe würden für ein Jahr ständige Bewohner des städtischen Kerkers werden und wurden darüber hinaus zu kontinuierlichem Frondienst verdonnert. Ich hatte noch einige schöne Bauprojekte geplant, und zusätzliche Arbeitskräfte kamen mir gerade recht. Der Beifall und das allgemeine Kopfnicken zeigten mir, dass das Urteil als gerecht angesehen wurde. Die beiden Ehefrauen zeigten sich schlichtweg begeistert, da sie die untätigen Trunkenbolde für eine Weile aus dem Haus hatten. Alle waren zufrieden, und ich damit auch.
    Der dritte Fall jedoch war um einiges schwieriger.
    Es ging offenbar um Mord.
    Selur, in seiner nunmehr bewährten Theatralik, machte großes Aufheben um die Verlesung der Anklageschrift. Er entrollte das entsprechende Pergament und las den Text vor, mit dem auch ich mich vor dem Prozess vertraut gemacht hatte. Er basierte auf einer Anzeige des Bauern Dremus (der Ältere), der auch zugegen war. Der Angeklagte war ein vierschrötiger Kerl mit wütendem Blick, in die einfache Kleidung eines Knechtes gewandet. Er hieß Beltur und war, zumindest bis vor Kurzem, in der Tat auf dem Hof des Dremus beschäftigt gewesen, bis es zu der verhängnisvollen Tat gekommen war.
    »Angeklagt wird der hier vorgetretene Beltur, Knecht in Diensten des Dremus, wie folgt: Er habe vor zwei Wochen, am Abend des dritten Tages im sechsten Monat, auf dem Hofe seines Herren randaliert und in betrunkenem Zustand unflätige Worte geäußert. Als sein Herr ihn geheißen hatte, Ruhe zu geben und alsbald die zerstörten Gegenstände, die der Knecht in seiner Wut zerschlagen habe, entweder zu reparieren oder zu bezahlen, habe sich die Wut des Beltur nur gesteigert, und er habe sich mit einer Klinge bewaffnet. Mithilfe dieser Klinge habe er auf dem Hofe in seiner Rage nach einem Opfer gesucht und dieses in Gestalt des Hofbewohners Lorki gefunden, der eines grausamen und unschuldigen Todes starb. Der Bauer Dremus eilte gen Tulivar, um den Vorgang zu melden, und am nächsten Tag ergriff die Wache den Beschuldigten, wie er noch seinen Rausch ausschlief.«
    Selur ließ das Pergament sinken und sah sich beifallsheischend um. Das Publikum wirkte ausreichend ergriffen.
    Ich räusperte mich.
    »Der Angeklagte möge vortreten.«
    Lorkos schob den finster dreinblickenden Knecht nach vorne, bis dieser vor mir stand.
    »Du bist Beltur, der Knecht des Dremus?«
    »Knecht wohl nicht mehr. Aber ich bin Beltur.«
    »Wer spricht für dich?«
    »Ich selbst.«
    »Du willst keinen Beistand?«
    »Ich brauche keinen.«
    Ich nickte und schaute den Kastellan an,

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