Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
Ihr es zurückerobern«, stellte Olifek fest.
»Ja, das könnte ich. Aber könnte ich es auch mit 200 Mann halten? Felsdom müsste befestigt werden, mit erheblicher Anstrengung. Ich habe dafür kein Geld. Ich muss mich darauf konzentrieren, Tulivar zu halten, und kann nur darauf hoffen, dass ich irgendwann so reich sein werde, um die Grenze effektiv zu sichern. Ich habe bereits darüber nachgedacht, den Thron um Hilfe zu bitten, aber überall wird demobilisiert. Ich habe keine große Hoffnung, dass man sich beeilen wird, uns hier im fernen Norden zu unterstützen.«
Olifek nickte. Er spielte mit seinem Becher, dann stieß er ein Seufzen aus. »Mir scheint, Baron, dass bei Euch nichts zu holen ist. Die militärische Bedrohung, die Ihr derzeit abzuwehren habt, enthebt Euch von Eurer Steuerschuld, zumindest dieses Jahr. Es gibt für mich keine große Möglichkeit, etwas einzutreiben, während Ihr all das Gold für die Grenzsicherung ausgeben müsst.«
Ich bemühte mich, mir meine Erleichterung nicht allzu deutlich ansehen zu lassen. Mott und Frederick, die alten Gauner, hatten mit ihrem Schauspiel Erfolg gehabt! Es war kaum zu glauben!
Olifek betrachtete mich genau. Dann lag ein feines Lächeln auf seinen Lippen.
»Natürlich sind Eure Bücher gefälscht, Baron.«
Ich starrte Olifek an.
»Wie …«, begann ich eine Antwort, doch Olifek hob eine Hand.
»Von Eurer glorreichen Armee sind keine 30 tatsächlich in Eurem Sold, Baron.«
Ich schloss meinen Mund, fühlte, wie Hitze in meinem Gesicht aufstieg. Ratlosigkeit überfiel mich. Ich wusste nicht, was es jetzt noch zu sagen gab.
»Eure wirtschaftlichen Maßnahmen haben de facto dazu geführt, dass die Provinz wohlhabender ist als zuvor. Darüber hinaus habt Ihr genug Gold aus dem Krieg mit hierher geschleppt, um meine Steuer dreimal zu zahlen.«
Ich hatte meine Schatullen, die ich durchaus als meinen Privatbesitz erachtete , sorgfältig vor den Augen Olifeks verborgen. Vielleicht nicht sorgfältig genug? Oder hatte er sich gründlich über Art und Weise meiner Abreise aus der Hauptstadt informiert? Letzteres dürfte die wahrscheinlichste Erklärung sein.
Mein Herz sank mir in die Hose. Nicht ich hatte Olifek etwas vorgespielt und ihn in die Irre geführt, es war der Eintreiber gewesen, der die ganze Zeit sein Spielchen mit mir getrieben hatte.
Ich sah Olifek in die Augen. »Was nun, mein Lord?«, fragte ich leise.
Olifeks Lächeln war nicht verschwunden.
»Wie gesagt, Ihr verteidigt die Grenze. Ich werde keine Steuer erheben.«
Ich starrte den Mann an, als sei ich gerade Zeuge eines Wunders geworden. In rechtem Licht betrachtet, traf dies auch zu. Olifek schien meine Verwirrung zu genießen, denn sein Lächeln wurde breiter und zeigte, für mich zum ersten Mal gut erkennbar, echte Freude.
»Ich weiß, warum Ihr Felsdom verloren habt, Baron, auch wenn Ihr mir diesen Teil der Geschichte vorenthalten habt. Ich weiß auch, woher die ganzen wie echte Soldaten aussehenden Krieger in Eurer ›Armee‹ kommen: Sie sind vor nicht allzu langer Zeit als Söldner nach Tulivar gekommen, um Euch zu stürzen.«
Ich schwieg. Was hätte ich sagen sollen?
»Ich weiß auch«, fuhr Olifek fort, »wie man Euch bei Hofe und im Thronrat um die Euch zustehende Belohnung betrogen hat. Wie man Euch nach Tulivar abgeschoben hat, einen Mann, der durch seine Taten das Imperium mehrmals vom Rand der Niederlage gezerrt und diesem den Sieg geschenkt hat. Und Ihr habt den Betrug erkannt. Anstatt zu den Waffen zu greifen, habt Ihr genickt und seid nach Tulivar gezogen.«
Mir fiel immer noch kein passender Kommentar ein. Olifek schien allerdings keine Stellungnahme zu erwarten, denn er redete unverdrossen weiter. »Männer wie ich würden in diesem Reich keine Steuern mehr eintreiben, wenn Männer wie Ihr nicht dafür gesorgt hättet, dass es überhaupt noch etwas zum Eintreiben gibt.«
Olifek seufzte. »Und dennoch lassen Eure Gegner nicht nach. Die Levellianer sind hinter Euch her. Gordan Levell III. ist seit einigen Monaten neues Oberhaupt der Familie. Ich habe gehört, dass Ihr durchaus eine Vergangenheit miteinander habt.«
Das war eine Neuigkeit für mich, eine unerfreuliche dazu. Gordan und mich verband in der Tat so einiges, und das meiste hat mit aus Arroganz geborenen militärischen Fehlentscheidungen zu tun, deren Dummheit ich dadurch für alle offenbar gemacht habe, indem ich den Fehler mit dem Blut meiner Männer wieder ausbügeln durfte.
Aber er war ein Levellianer.
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