Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
hier hat nicht ganz so viel PS wie die Sportmaschinen«, sagte Shaz und der Verkäufer setzte hinzu: »Aber bitte versprich mir, dass du Fahrstunden nimmst, sonst kann ich diesen Kauf nicht verantworten.«
Ich stellte den Scheck aus, Jack umarmte mich und gab mir einen Schmatz auf die Wange, und Shaz winkte dem Taxifahrer. Wir hatten ihn warten lassen, weil wir uns nicht länger als nötig in Enfield aufhalten wollten.
Auf dem Rückweg in die Zivilisation konnte Jack gar nicht mehr aufhören, sich zu freuen. »Das ist derschönste Tag meines Lebens!«, verkündete er. »Du bist echt die Größte, Lia. Ich hab ein Motorrad! Frank wird grün vor Neid, wenn er das sieht!«
Frank ist Jacks großer Bruder und Jack will ihn immer übertrumpfen. Das ist natürlich aussichtslos, denn Frank ist zweiundzwanzig, sieht umwerfend aus und steht bei Tottenham unter Vertrag.
»Nun komm aber mal wieder runter«, sagte Shaz gereizt. Bestimmt fühlte sie sich jetzt mies. Ich hatte Jack ein Riesengeschenk gemacht und sie durfte nicht mal Kleinigkeiten von mir annehmen. »Du kannst sowieso erst fahren, wenn du Stunden genommen hast.«
»Ja, krieg dich wieder ein, Jack«, pflichtete ich ihr in unwesentlich freundlicherem Ton bei.
»Ich find’s so was von unfair, dass man den Motorradführerschein erst mit siebzehn machen kann«, nörgelte er. »In Amerika darf man mit sechzehn sogar schon Auto fahren. Mit sechzehn!«
»Und alle haben ein eigenes Auto«, sagte ich. »Mein Vater meinte mal, ich dürfte gern den Führerschein mit siebzehn machen, aber er könnte mir sowieso kein Auto kaufen und die astronomisch hohe Versicherung zahlen.«
Shaz und Jack mussten lachen. »Tja, dieses Problem hat sich ja jetzt erledigt«, sagte Shaz.
Ich lachte mit. Natürlich lockte mich die Vorstellung, mir schon mit siebzehn ein eigenes Auto zuzulegen. Aber würden mich meine Freunde dann nicht andauernd fragen, ob ich sie irgendwo hinfahren könnte? Ich schaute unauffällig zu Osman rüber, meinem persönlichen Taxichauffeur. Er hatte graue Haare, einenBauch und kaute Kaugummi. Würde ich für meine Freunde auch so ein kleiner Osman werden?
Ich würde ein völlig anderes Leben führen als sie. Ich konnte mich nie mehr über meine geizigen Eltern beklagen oder darüber, dass ich pleite war. So musste es sein, wenn man aufwachte und feststellte, dass man sich in einen Fremden verwandelt hatte, in einen Bulgaren zum Beispiel. War Osman Bulgare? Ich hatte nichts gegen Bulgaren, sie waren bloß … anders.
Allmählich freute ich mich auf das Im Einklang mit dem Reichtum -Seminar. Dort würde ich Leute mit ähnlichen Erfahrungen kennenlernen. Andere Bulgaren sozusagen.
Aber ich hatte nicht vergessen, dass ich ja herausbekommen wollte, ob Jack sich mit Raf geprügelt hatte. Mal überlegen …
»Hast du Raf gestern gesehen?«, wandte ich mich an Shaz. »Er hatte ein blaues Auge. Wer ihm das wohl verpasst hat?«
»Ich hab mich auch gewundert. Vielleicht wurde er überfallen oder so«, sagte Shaz.
»Vielleicht.« Ich beobachtete Jack aus dem Augenwinkel. Er schrieb eine SMS und tippte wie ein Besessener.
»Was meinst du, Jack?«, sagte ich in beiläufigem Ton. »Hast du Rafs Auge auch gesehen? Glaubst du auch, er wurde überfallen?«
»Wer?«, fragte Jack abgelenkt.
Shaz stieß ihn an. »Wir reden von Raf.«
»Ach der. Der große Einsame. Der Schnösel. Was ist mit ihm?«
»Sein Auge!«, sagte ich.
»Was ist mit seinem Auge ?«
»Es ist zugeschwollen. Jemand hat ihn geschlagen. Glaubst du, er wurde überfallen?«
»Woher soll ich das wissen? Verdient hätte er’s, dass ihm jemand eine reinhaut. Hab ich euch schon von seinem Foul bei unserem letzten Spiel erzählt? Der Schiedsrichter muss blind gewesen sein. Das hätte ’ne rote Karte geben müssen!«
»Außerdem ist es sehr auffällig, wie er sich an dich ranmacht, Lia«, sagte Shaz.
»Raf macht sich an dich ran?«, fragte Jack, aber es klang nicht besonders interessiert. »Ich dachte, der Typ ist schwul.«
»Er will nur das Eine«, sagte Shazia, »aber nicht, was du jetzt wieder denkst, Jack.«
Jack grinste. »Sicher?« Ich schlug nach ihm und er duckte sich weg.
»Hört auf, alle beide«, sagte ich dann.
»Wir meinen es nur gut mit dir«, erwiderte Shaz. Jack nickte und säuselte: »Hör auf uns, kleine Lia. Wir wollen nur dein Bestes!«
Wir setzten Jack zu Hause ab – er hatte am Nachmittag noch ein Fußballspiel – und Shazia stieg auch aus, weil sie zu ihrer Cousine wollte, die
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