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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war. Außerhalb des Hafens fand er einen Fischer, der einen Motorkahn besaß, mit hoher Bordwand, einem Mastbaum und zwei Motoren für Dieselöl. Mißtrauisch musterte der Fischer den Fremden, der seinen Kahn so eingehend betrachtete, legte die Korkstücke weg, die er gerade in die Netze knüpfte, ergriff ein Beil und kam auf Abels zu.
    »Was soll's, Genosse?« fragte er verwundert. »Was ist an meinem Boot so interessant?«
    »Kannst du fünfhundert Rubel gebrauchen?« fragte Abels zurück.
    »Fünfhundert Rubel?« Der Fischer, ein Halbmongole, packte das Beil fester. Fünfhundert sind fast ein Jahreseinkommen, dachte er. Ein armer Mensch, dieser sonst große und wohlgeformte Genosse. Er hat ein kleines, zerstörtes Hirn. »Geh weiter, Brüderchen«, sagte er mild. »Die frische Luft wird dir guttun.«
    »Ich gebe dir fünfhundert Rubel.« Abels griff in die Tasche und hielt dem Fischer die Scheine unter die Nase. Es war, als habe er ihm eine Zwiebel hingehalten, so gingen ihm die Augen über.
    »Wofür, Genosse?« stammelte der Halbmongole. »Das ist ein böser Scherz.«
    »Ich möchte dich und dein Boot mieten.«
    »Für fünfhundert Rubel?!«
    »Du sollst mich und meine Frau nach Japan bringen.«
    »Nach Japan?«
    »Es ist von hier vierhundertfünfzig Werst weit entfernt.«
    »Du bist wirklich verrückt, Genosse! Wir werden eine Woche lang auf der See sein.«
    »Und wenn es zwei Wochen sind! Wann kannst du einfacher fünfhundert Rubel verdienen?«
    Bis zum Morgengrauen überredete Abels den Fischer, dann hatte er ihn besiegt. Fast das halbe Boot füllten sie mit Dieselölkanistern, nahmen Verpflegung für fünfzehn Tage an Bord und fuhren am übernächsten Morgen, beim Morgendämmern, ab.
    Sie brauchten sieben Tage, bis sie das japanische Cap Soja erreichten. Das Glück war mit ihnen, die See blieb ruhig, die gefürchteten Frühjahrsgewitter blieben aus. An einer einsamen Stelle des Caps setzte der Fischer sie an Land, nahm seine fünfhundert Rubel, sah Abels lange an und sagte dann zum Abschied: »Genosse, auch wenn du ganz vernünftig sprichst – ein Idiot bist du doch!« Dann ratterte das Boot zurück in die See, ein tanzender Punkt auf den Wellen, der bald am Horizont verschwand.
    Zu Fuß, über steinige Gebirgsstraßen, erreichten Abels und Anuschka am späten Abend die Militärstation Tombetsu und meldeten sich bei dem Kommandanten, einem japanischen Oberst. Er hörte sich die Erzählung des Deutschen an, verbeugte sich höflich vor Anuschka und gab per Funk die unglaubliche Meldung durch: Am Cap Soja ist ein Deutscher gelandet, der aus Sibirien kommt.
    Am Morgen wurden sie von einem Hubschrauber abgeholt und nach Otaru gebracht. Dort wartete eine Militärmaschine auf sie, die sie weiterflog nach Tokio.
    Am Abend dann, nach mehrstündigen Verhören im Generalhauptquartier, wurden Anuschka und Martin Abels zur deutschen Botschaft gebracht. Todmüde, sich nach Ruhe sehnend, taumelten sie in das Gebäude und das Zimmer des Botschaftssekretärs.
    Wie anders sie hier alle aussehen, dachte Anuschka und starrte den deutschen Diplomaten an. Weiße Hemden mit steifen Kragen tragen sie, und einen Schlips aus Seide daran. Und ihre Anzüge sind wunderbar geschnitten und so genäht, daß man gar keine Stiche sieht. Sie riß die Augen auf, betastete die Polstermöbel und wagte nicht, sich darauf zu setzen.
    Abels sah das alles nicht. Er stand vor dem Tisch des Botschaftsrates und berichtete kurz, was er in den letzten Stunden ungezählte Male wiederholt hatte.
    »Abels heißen Sie?« fragte der Botschaftsrat. »Martin Abels aus Bremen? Moment mal, da ist doch etwas …«
    Er ging hinaus und kam nach einigen Minuten mit einer Akte wieder. Sein Gesicht war ernst und verschlossen.
    »Ja, es stimmt«, sagte er hart. »Abels. Sie stehen hier auf deutschem Boden, mein Herr. Ich habe die Weisung, Sie zu inhaftieren und später nach Deutschland zu überstellen. Gegen Sie liegt ein Fahndungsersuchen des Bundesverfassungsschutzamtes in Köln vor.«
    »Des was?« fragte Abels entgeistert. »Ich werde verhaftet? Aber, um Himmels willen, warum denn?! Ich komme doch aus Sibirien, ich habe Anuschka, meine Frau, geholt.«
    »Sie sind verdächtig des Landesverrates«, sagte der Botschaftsrat steif. »Bitte, machen Sie keine Schwierigkeiten.«
    Es war der Augenblick, wo Abels lachte. Er lachte so wild und ungebändigt, daß er sich krümmte und sich den Magen festhielt, weil er schmerzte, aber er konnte nicht anders … er lachte und

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