Ein Magier im Monsterland
war?
»Unsere Organisation legt großen Wert darauf, wie wir in der Menschenwelt eingeführt werden. Und aus diesem Grunde haben wir die bestmöglichen Sprecher ausgewählt, die unsere Geschichte über die Grenzen des Verzauberten Waldes hinaustragen sollen.«
»In der Tat!« sagte ich mit so viel Festigkeit, wie mir zur Verfügung stand. Vielleicht sollte ich mir gar keine Sorgen machen. Wir hatten offensichtlich einen recht ordentlichen Eindruck hinterlassen. Und schon wurden meine Beine wieder standfester, und stolz schritt ich den Pfad entlang. Wenn sie so eine gute Meinung von mir hatten, mußte ich auch wie ein Magier schreiten!
»Natürlich war es eher ein prinzipielles Problem, überhaupt Sprecher im Verzauberten Wald zu finden. Aus mir unbekannten Gründen pflegen die Menschen dieses Gebiet eher zu meiden. Es hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß viele Mitglieder unserer Gemeinschaft Menschenfleisch zu schätzen wissen.«
Meine Knie drohten zu kollabieren. Ich räusperte mich. »In der Tat«, brachte ich nach einem Augenblick hervor.
»Aber mach dir keine Sorgen. Unsere Gemeinschaft hat geschworen, bis zum Abschluß dieser Kampagne kein Menschenfleisch mehr zu essen. Also, zumindest die meisten haben das getan, und ich bin mir absolut sicher, daß wir Dissidenten überwältigt haben werden, bevor sie dir wesentlich mehr als einen oder zwei Zehen abgeknabbert haben. Du siehst also, daß du dir wirklich keine Gedanken machen brauchst. Du mußt nur deinen Teil der Abmachung einhalten, und schon bist du in Sicherheit.«
Ich nickte und versuchte, selbstsicherer auszusehen, als ich mich fühlte. Was für eine Abmachung? Wovor sicher? Ein dicker Kloß begann sich in meinem Hals festzusetzen. Ich konnte noch nicht einmal ein abschließendes ›in der Tat‹ hervorbringen.
»Wir sitzen also im Wald«, fuhr der Hippogreif fort, »und suchen nach Sprechern, und wer kommt da durch den Wald gestampft? Natürlich, ihr fünf. Jetzt kann der Rok aber nur zwei Personen auf einmal transportieren, und so mußten wir herausfinden, welche zwei von euch die wichtigsten Leute waren. Glücklicherweise nahm unsere Entscheidungsfindung in diesem Punkt nicht lange Zeit in Anspruch, denn der ältere Magier und du wart die einzigen, die überhaupt irgend etwas taten.«
Ich dachte darüber nach. »Oh, die anderen sind phantastische Redner!«
»Du triffst den Nagel auf den Kopf«, nickte der Hippogreif den Ungeheuern vor uns zu. »Warte einen Moment, dann wirst du merken, daß auch wir große Meister in der Kunst der Rhetorik sind!«
Der Hippogreif führte mich durch die versammelten Monster und Monstrositäten zu einer erhöhten Plattform in ihrer Mitte. Ich spürte Tausende von Augenpaaren auf mir, Augen von Vögeln und Tieren und Menschen, obwohl die dazugehörigen Körper meist zu einer ganz anderen Spezies gehörten. Ich ließ kurz meinen Blick über sie schweifen, während wir uns durch die Massen bewegten. Ich – der ich Tausende vollkommen unterschiedlicher Dämonen und weitere unzählbare Wunderlinge auf meiner Reise nach Vushta zu Augen bekommen hatte – ich sah so viele verschiedene Kreaturen, wie ich noch nie zuvor erblickt hatte. Ich bekam einen Eindruck von den unterschiedlichsten Pelz- und Gefiederarten, von kleinen Augen hinter zottigen Mähnen, von großen Augen auf Stielen und von großen Zähnen und womöglich noch größeren Zähnen, Klauen, Scheren und langen, dornengespickten Schwänzen. Ich ließ allerdings meinen Blick nicht zu lange auf einem der Tiere ruhen, damit nicht ein besonders gräßlicher Anblick meine mutige Entschlossenheit zerstören mochte. Und außerdem wäre es mir ungehörig vorgekommen, sie anzustieren.
»Nur einer?« Der Greif starrte von der Plattform auf mich herunter. »Nur einer wagt es, zu unserem Treffen zu erscheinen. Nun gut, ich denke, es wird auch so gehen.« Er unterbrach sich. »Wenn ihr Gold dabei habt.«
»Papa!« Der Hippogreif packte mich mit seinem riesigen Schnabel und hievte mich auf die Plattform. »Behandelt man so seine Gäste?«
»Verzeiht«, sagte der Greif, als ich, den Staub aus meinen Kleidern klopfend, vor ihm stand. »Hin und wieder macht dieser Besserwisser, mein Herr Sohn, auch eine wertvolle Bemerkung. Diese Goldgeschichte – nun, Ihr wißt vermutlich, wie das mit uns mythologischen Wesen ist, wenn der Instinkt grölend sein scheußliches Haupt erhebt… Wir hatten bis heute nicht gerade viel direkten Kontakt von Mensch zu Monster. Doch das
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